Die Wurzeln der Marshmallows
Echter Eibisch – Althaea officinalis
In der kalten Jahreszeit ziehen die überwinternden Pflanzen ihre Energiestoffe in die Wurzeln und schlummern so bis zum nächsten Frühling. Die beste Zeit, um Wurzeln auszugraben, ist der Spätherbst und der frühe Frühling. Ganz Ungeduldige können natürlich auch im Winter – an frostfreien Tagen – Wurzeln ausgraben. Ich persönlich bevorzuge es, der Erde samt Pflanzen und Tieren in dieser Zeit ihre Ruhe zu gönnen. Eine wunderbare Wurzel hat der Echte Eibisch (Althaea officinalis), auch Sumpf-Malve genannt, von der ich Euch berichten möchte.
Ursprung
Der Eibisch wächst gerne in Küstenregionen mit salzigem Boden und auf feuchten Wiesen. Ursprünglich verbreitet war er in Südrussland und Westasien. In Mitteleuropa wurde er vor langer Zeit durch den Menschen eingeführt. Wahrscheinlich dank seiner heilenden Eigenschaften, von denen bereits die Römer im 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung berichteten. In Europa zählt der Eibisch zu den sogenannten Archäophyten. Damit bezeichnet man Pflanzen, die schon lange hier wachsen. In der Schweiz gilt er jedoch als Neophyt, da er erst nach der Entdeckung Amerikas eingeführt wurde. Die mehrjährige Sumpf-Malve ist hier selten verwildert anzutreffen – meistens findet man sie in Gärten, denn nebst der spannenden Wurzel sieht sie sehr lieblich aus, mit ihren weichen, weisslich-grünen Blättern und weissen bis blassrosa Malvenblüten.
Medizin & Nahrung
Bereits im Alten Ägypten wurden kandierte Eibischwurzeln medizinisch genutzt – vorbehalten für Götter und Adlige. Auch in europäischen Regionen wurde die Eibischwurzel in verschiedenen Formen als Medizin verwendet. So beschrieb der griechische Arzt Dioskurides im 1. Jahrhundert die vielfältige Nutzung der Pflanze, welche von der Wundpflege bis hin zur Linderung von Gelenkbeschwerden und Zahnschmerzen reichte. In Notzeiten wurde die stärkehaltige Wurzel auch als Nahrung verwertet, ist kulinarisch jedoch kein Genuss, da fade und schleimig.
Als Hausmittel werden die schleimstoffhaltigen Wurzeln zu Sirup verarbeitet – gegen Reizhusten bei Kindern. Manche kennen ihn vielleicht noch unter dem Namen «Schneckensaft». Obwohl die schleimige Konsistenz des Sirups an Schneckenschleim erinnert, hat dieses Heilmittel natürlich nichts mit Schnecken zu tun. Als Kind wusste ich dies jedoch nicht und stellte mir vor, dass der Schleim der Schnecken entsprechend süss-aromatisch sein muss – Die Mutprobe unter uns Geschwistern, eine Schnecke abzulecken, habe ich allerdings nicht bestanden…
Nascherei
Im 18. Jahrhundert wurde in französischen Confiserien die «Pâte de guimauve» (Eibischteig) entwickelt. Die klebrigen, bindenden Eigenschaften der Stärke und des Pektins, welche in den Wurzeln enthalten sind, wurden genutzt, um weiche schaumige Süssspeisen herzustellen: die ersten «Marshmallows». So wurde die Eibischwurzel im Laufe der Zeit von der Medizin und Notnahrung zur delikaten Süssspeise weiterentwickelt.
Marshmallows aus Eibisch herzustellen, war sehr zeitaufwendig – steigender Bedarf und maschinelle Weiterentwicklung brachten bald die heutigen Marshmallows hervor. Die Wurzel, welche Namenspate ist, wurde durch Gelatine und Eischnee ersetzt.
Erst Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die heute bekannten Marshmallows in den USA eingeführt. Dort erfreuen sie sich einer bis heute andauernden Beliebtheit. Der 30. August gilt in den USA gar als «National roasted Marshmallow Day» (Tag der gerösteten Marshmallows). Bei uns entspricht dies dem Ende der Blütezeit des Eibisch.
*) Galenik ist die Lehre von der Zusammensetzung und Zubereitung bzw. Herstellung von Arzneimitteln.