Von zwei, die auszogen, einen Waldgarten anzulegen

Mandeln & Dornengestrüpp

Für ihn ist es der zweite Waldgarten, für sie der erste überhaupt. Aber beiden ist eigen, was echte Waldgärtner*innen auszeichnet: Der Mut und das Vertrauen, neue Wege zu betreten, eine grosse Portion Experimentier- und Abenteuerlust und das Anliegen, die Waldgartenphilosophie weiterzugeben. Und beide wählten für ihren Neuanfang dieselbe Insel – Mallorca.

Das Interview führte Nicole Häfliger

 

Scarlet Allenspach und Frits Deemter: Kennengelernt haben sie sich beim Pflanzenfreund-Interview. Nun freuen sich die künftigen «Nachbarn» darauf, einander besuchen und Erfahrungen austauschen zu können.

Bei Permakulturprojekten haben viele die Haltung: «Die anderen sind doof – wir wissen, wie’s geht.» Viel besser ist es, sich gegenseitig zu respektieren und zu verstehen, dass die jeweilige Herangehensweise einfach nur eine andere ist.
— Frits Deemter
 

«Waldgarten» – was bedeutet das für euch persönlich?

Scarlett Allenspach: Eine Methode, um den Menschen wieder in die Natur zu integrieren und uns von ihr ernähren zu können, ohne dass sie darunter leidet. Das Idealbild der Natur ist ja der Wald. Würde die Menschheit ausgelöscht, dann würde sich der Planet zurück in einen Wald verwandeln. Also: der Natur ihre natürliche Form lassen, in der sie sich am wohlsten fühlt, aber so, dass wir auch davon leben können.

Frits Deemter: Ich schliesse mich da an. Dazu kommt: Man kann viel von der Natur lernen, wenn man sich die Zeit nimmt zu beobachten, was passiert. Wie Scarlet sagt, es wird letztlich von selber ein Wald, aber man kann es etwas beschleunigen, lenken und kitzeln. Wie eine wilder Löwe, den man ein bisschen zähmen und dirigieren kann, aber trotzdem läuft er frei herum und kann tun und lassen, was er möchte.

Boden und Vegetation Pflanzenfreund.jpg

Die mediterrane Vegetation und das milde Klima der Insel haben es beiden angetan.

 

Wann seid ihr zum ersten Mal mit diesem Thema in Berührung gekommen?

SA: Für mich war es 2017. Ich bin über das nachhaltige Bauen auf Earthships gekommen, von Earthships zu Permakultur und von Permakultur dann zum Waldgarten. 

FD: Wir haben Mitte der 90er-Jahre angefangen auf dem Grundstück anzubauen, was man essen kann, und dann kam einer und sagte: «Oh, ihr habt einen Waldgarten!» Ich wusste nicht, dass das ein Waldgarten war, das kam von alleine. Wir liessen die Natur entscheiden, was richtig war, nicht Bücher. So werden wir das in Mallorca auch angehen.

Zum Ort: Warum gerade Mallorca?

SA: Ich fühle mich da viel mehr zu Hause als in der Schweiz. Auch liebe ich alles, was da wächst. Ich mag Artischocken lieber als Gurken und Granatäpfel lieber als Äpfel. Das ist schon ein Hauptargument. Gerade der Gemüseanbau reizt mich in der Schweiz überhaupt nicht, da ist es mir zu kalt und nass. Ausserdem finde ich Inseln generell spannend. Da deren Ökosystem sehr beschränkt ist, kann man manches besser vermitteln, wie zum Beispiel die klimatischen Bedingungen. Mir war auch wichtig, dass der Ort nicht nur mit dem Flugzeug erreichbar ist. Gerade, wenn man so ein nachhaltiges Projekt aufbauen will, ist das relevant.

FD: Bei uns war es eine spontane Idee: Wir wollten weg in die Wärme. Spanien bot sich an, die Sprache ist im Vergleich zu anderen einfach zu lernen, und Mallorca ist es geworden, weil es eine superschöne Insel ist und wegen der Anbindung. Da sitzt man nicht am A… der Welt. Und vor allem ist das Klima eine Herausforderung. Wir werden sehen, ob wir das, was wir beide vorhaben, auch tatsächlich hinkriegen. In der Theorie lässt sich das realisieren, aber ob es in der Praxis dann auch funktioniert … Doch das ist auch das Schöne und Spannende daran.

Das Grundstück von Frits Deemter ist teilweise gut aufgeforstet. Die Kaktusfeige (Opuntia ficus-indica) stammt ursprünglich aus Mexiko. Auf dem Grundstück von Scarlet ist eine dornig-magere Wildnis mit gedrungenen Sträuchern und Bäumen. Eine alte Mandelplantage soll als Anker für den neuen Waldgarten dienen.

 

Ihr zieht von 7b wie bei Frits und 8a wie bei Scarlet auf eine Insel mit einer viel höheren Klimazone. Da könnt ihr viele Erfahrungen, die ihr gemacht habt, nicht eins zu eins übernehmen. Oder? 

SA: Das ist auf jeden Fall anders. Ich selber habe ja noch nicht so viele praktische Erfahrungen gemacht, daher habe ich hier vielleicht fast einen Vorteil (lacht).

FD: Na ja, wenn man ein paar Klimazonen nach oben geht, ist das viel weniger ein Problem als umgekehrt, das macht dann keinen Spass. Mallorca dagegen ist ein Eldorado, vom Klima und der Pflanzenauswahl her. Das ist also nicht das grosse Problem, glaube ich. Die grosse Nuss, die es zu knacken gilt, wird die Trockenheit sein, die wird uns am meisten einschränken. 

Was für Tipps hättet ihr, wenn jetzt jemand gerne einen Waldgarten anlegen würde, zum Beispiel auf Mallorca? 

SA: Ich würde es mir noch nicht erlauben, Tipps zu geben, denn gerade deshalb mache ich das ja. Ich möchte es ausprobieren und schauen, wie das funktioniert, selber auch Hilfe von erfahrenen Leuten in Anspruch nehmen und das Ganze so dokumentieren, dass die Leute mit mir lernen können.

FD: Der Tipp ist, und das haben wir auch gemacht: Geh nach Mallorca und schau, welche essbaren Pflanzen da gedeihen. Dann geh zum Botanischen Garten und erkunde alle dortigen Gärtnereien, dann hast du schon einmal eine Liste an Pflanzen, die dort erhältlich sind und auch gut wachsen. Das Zweite und für jeden Waldgarten das Allerwichtigste: Freunde dich mit den Nachbarn an. Bei Permakulturprojekten haben viele die Haltung: «Die anderen sind doof – wir wissen, wie’s geht.» Viel besser ist es, sich gegenseitig zu respektieren und zu verstehen, dass die jeweilige Herangehensweise einfach nur eine andere ist. Wir freundeten uns mit unserem Nachbarn an und der war so begeistert, dass er sagte: «Wenn ihr zu wenig Land habt, dann macht bei mir weiter.» Und die erzählen dir ganz viel, was man sonst erst nach zehn Jahren weiss: Wie ist der Winter? Wie oft hat man noch Nachtfrost? Und wann kommt er? Hast du auch nette Nachbarn?

SA: Ja, zum Glück, und wir haben uns auch schon angefreundet. Was die Pflanzen betrifft: Ich habe schon Mandeln und Johannisbrotbäume auf dem Grundstück, in Reih und Glied, wie man das so macht auf Mallorca. Da weiss ich, dass sie auf jeden Fall gut kommen, also werde ich sie nutzen und um sie herum sozusagen aufforsten. Auch würde ich sehr klein anfangen. Ich selber werde mit einer Ecke anfangen, die aber dafür dicht bepflanzen – nach der Miyawaki-Methode, sodass auch wirklich das Waldklima entstehen kann. Anfangen mit den Sorten, die sicher funktionieren, und dann experimentell ausprobieren, was kommt, und das Schritt für Schritt ausweiten. Denn das Klima ist ja eigentlich subtropisch – wenn es anders bewirtschaftet würde. Daher ist wahrscheinlich viel mehr möglich als das, was momentan in den Gärtnereien angeboten wird …

Das Interview führte Nicole Häfliger.

 

Die Fortsetzung des Interviews findest Du in der Oktoberausgabe 2021.

 
Standort Haus Pflanzenfreund

Scarlets «Abenteuerspielplatz»: Hier soll künftig eine Finca stehen, als Zentrum für Permakultur-Kurse. Der Pflanzenfreund wird sie auf dieser spannenden Reise begleiten und im Blog regelmässig über die Fortschritte des Projekts berichten.

 
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