Königin der Quellen

Mädesüss

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Sie ist schön, diese Königin der Quellen und der zauberhaften Bäche, wenn sie an feuchten, schattigen Stellen ganze Gebüsche bildet!
— Maurice Mességué, 1976
 

Vom Mädesüss (Filipendula ulmaria) ist hier die Rede – auch Wiesenkönigin genannt. Und königlich ist das Mädesüss allemal, war es, nebst Mistel und Eisenkraut, eines der drei heiligsten Kräuter der Druiden. Um die Zeit der Sommersonnwende erblüht es auf feuchten Wiesen und an Bachufern. Es erfüllt die Luft mit seinem unverwechselbaren Duft – einer Mischung aus Vanille, Marzipan und Myrrhe – und lockt Bienen, Schmetterlinge und andere Insekten an.

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Vom Molekül zum Medikament

Das Mädesüss trägt noch einen zweiten charakteristischen Geruch in sich. Kratzt man mit dem Fingernagel den Stängel auf, entdeckt man ihn. Nicht mehr lieblich und marzipanartig, sondern von medizinischer Natur, für manche fast unangenehm. Ich persönlich liebe ihn, den Geruch von alten Apotheken und Hexenküchen – eine Salicinverbindung, genauer ein Salicylaldehyd.

  • Im Mädesüss sowie in der Weidenrinde ist der Wirkstoff Salicin enthalten, eine Zucker-Alkohol-Verbindung, welche erstmals um 1830 vom französischen Apotheker Pierre-Joseph Leroux isoliert wurde. Im Körper wird das Salicin in mehreren Schritten umgewandelt und wirkt schlussendlich als Salicylsäure entzündungshemmend, schmerzlindernd und fiebersenkend.

  • Achtzig Jahre später gelang es dem deutschen Chemiker und Apotheker Dr. Felix Hoffmann*, ausgehend von der Salicylsäure, die Acetylsalicylsäure zu entwickeln. Weil diese nicht erst im Körper umgebaut werden muss, wirkt sie schneller und effizienter. Felix Hoffmann liess die Herstellungsformel patentieren und so wurde aus dem unbekannten Molekül ein Medikament. Markteinführung war im Jahr 1899.

  • Bei der Namensgebung seines Arzneimittels liess sich Dr. Felix Hoffmann vom Wirkstoff und dem damaligen lateinischen Namen des Mädesüss inspirieren. A wie Acetyl und spirin von Spirea Ulmaria ergibt Aspirin, das bis heute bekannteste und meistverkaufte Arzneimittel weltweit. In den Siebzigerjahren wurde es von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf die Liste der unentbehrlichen Arzneimittel gesetzt – und sogar bei der ersten Mondlandung war eine Schachtel an Bord der Apollo 11 mit dabei.

* Nicht zu verwechseln mit Albert Hofmann, der ebenfalls Chemiker war und das LSD entdeckt hat.

Für den Hausgebrauch empfiehlt Giovina Nicolai, Drogistin und Galenikerin*, Mädesüss in Teemischungen zu verwenden:

Mädesüss ist ein altes, traditionelles Würzkraut für Met und Bier. Im Tee sollte es sparsam dosiert werden, da sein Geschmack intensiv ist. Am liebsten habe ich es in einer Teemischung mit Linden- und Holunderblüten. Alle drei sind typische Sommerblüten und ergeben eine schweisstreibende Mischung, welche sich auch gut bei Erkältungen eignet. Um die Teemischung harmonisch abzurunden, am besten gemischt mit Brombeerblättern.

 

«Pflanzen in ihrem natürlichen Umfeld und mit allen Sinnen kennen zu lernen»…

…ist ein Anliegen von Giovina Nicolai, Drogistin und Galenikerin. Auf ihrer Website Pflanzenlabor in Oberburg (BE) gibt es dazu verschiedene Angebote wie Workshops und monatliche Pflanzenpäckli.

*) Galenik ist die Lehre von der Zusammensetzung und Zubereitung bzw. Herstellung von Arzneimitteln.

 
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Wo der Wald die Wiese ruft