Natur 2.0
«Wie kann es sein, dass heute immer noch Nacktschnecken produziert werden, obwohl sie seit Jahren mieseste Bewertungen bekommen?»
Ich hatte vor einiger Zeit einen Kunden, der mir mit einer Klage gedroht hat, weil die Felsenbirne, die ich in seinen Garten gepflanzt hatte, dieses Jahr nicht an seinem Geburtstag geblüht hat, sondern eine Woche später. Ernsthaft. Das hatte er sich so nicht vorgestellt und daher war er sehr enttäuscht. Der Mann war ein erfolgreicher IT-Manager und für ihn war das unkooperative Verhalten der Felsenbirne nicht nachvollziehbar. Schliesslich war sie bezahlt worden und daher bestanden gewisse Ansprüche.
Er hat Recht. Die Natur hat in den letzten Jahrmillionen Fett angesetzt. Sie ist träge geworden und hat als Monopolist eine behäbige Beamtenmentalität aufgebaut. Sie muss endlich lernen, uns als Kunden wahrzunehmen und auch flexibel auf unsere Wünsche zu reagieren. Keine Blüte zum Geburtstag? Kein Schnee an Heiligabend? Liebe Natur, hier geht ́s um Dienstleistung! So läuft das heute nicht mehr!
Wir brauchen die Modernisierung zu einer marktorientierten, flexiblen und effizienten Natur. Da muss einiges auf den Prüfstand. Das bedeutet natürlich auch Anpassung und, ja, auch wenn es für die Betroffenen dann bitter ist, Freisetzungen. Wer braucht Tiere, die hässlich aussehen und nachts Löcher graben? Stechende, struppige, gefährliche oder im Garten störende Tiere sollten schnell aus dem Sortiment genommen wer- den. Harte Schnitte sind da unvermeidlich. Wer bitte braucht den Blauwal? Kennen Sie einen? Kann der noch was ausser rumschwimmen? Das Segment «Tiere, niedlich, putzig, flauschig, grosse Augen» kann hingegen ausgebaut werden.
Wie kann es sein, dass heute immer noch Nacktschnecken produziert werden, obwohl sie seit Jahren mieseste Bewertungen bekommen? Es wird, wie einst im Sozialismus, konsequent am Markt vorbei produziert und die berechtigten Interessen der Kunden an gutem Wetter, netten Tieren und hübschen, pflegeleichten Pflanzen ignoriert. Stattdessen kommt uns die Natur mit Spätfrost (im Februar!), Zecken und Giersch. Und mal ehrlich, wie unfähig ist eine Konzernleitung, die sichere und beliebte Profitseller wie Tyrannosaurus Rex und andere Dinos aus dem Sortiment nimmt, aber Kohlschnake und Napfschildlaus weiter subventioniert? Können wir uns die aufgeblähte Produktion von über 400 verschiedenen Brombeeren alleine auf dem deutschsprachigen Markt leisten? Das ist in heutiger Zeit nicht mehr vermittelbar.
Der bisher viel zu wenig beachtete Funfaktor der Natur muss stärker in den Fokus rücken. Das Wetter mit seinen Erscheinungen wie Schnee, Kälte, Hagel und Regen ist auf Relevanz zu überprüfen. Vieles davon braucht kein Mensch und nervt nur. Schnee bitte nur in den Alpen und an Weihnachten, ansonsten ist Superwetter für Biergärten und Grillabende. Regen ja, ok, muss wohl sein, aber nur nachts.
Der grösste Anpassungsdruck an Kundenwünsche besteht jedoch zweifellos bei Pflanzen. Da gibt es immer noch Verblühtes, da werden pausenlos Blätter abgeworfen, da wachsen Pflanzen entweder rückwärts, wuchern oder machen, was sie wollen! Ein solches Verhalten ist heute, im Zeitalter der Digitalisierung, schlicht nicht mehr akzeptabel.
Mein Kunde bereitet gerade eine Klage gegen einen Mehltau vor dem Hamburgischen Oberlandesgericht vor. Wegen Wertminderung und Verletzung seines Rechts auf ein perfektes Leben. Viel Glück!