Das Zusammenleben verstehen

Jonas Landolt hat an der ETH Umweltnaturwissenschaften studiert.

 

«Häufig betrachten wir eine Artengruppe für sich. Es gibt Exkursionen zum Thema Pflanzen, Vögel, Libellen oder Schmetterlinge. Viel zu selten geht es um die Interaktionen zwischen verschiedenen Artengruppen. Aber genau diese Verbindungen machen die Natur aus und helfen zu verstehen, wie man einzelne Arten fördern kann – sei es im eigenen Garten oder in einem Naturschutzgebiet.»


Jonas Landolt war erstaunt, als ihm bewusst wurde, wie wenig Artenkenntnis noch vorhanden ist, speziell bei jüngeren Menschen. Jetzt steckt er andere mit seiner Leidenschaft an – auch indem er aufzeigt, wie Tiere und Pflanzen interagieren.

Foto: Jonas Landolt

Foto: Jonas Landolt

 

Als Erstes fällt das Leuchten in seinen Augen auf. Es erinnert an jenen lebendigen, funkelnden Glanz in den Augen von Kindern, wenn sie begeistert erzählen. Und als Zweites sticht der Feldstecher ins Auge, den Jonas Landolt um seinen Hals gehängt vor der Brust trägt: Es ist ein grösseres Modell, tarngrün. Der Feldstecher dient ihm vor allem zur Beobachtung der Vögel. «Ja, den trage ich fast immer bei mir», sagt der 30-Jährige, der an der ETH Umweltnaturwissenschaften mit Vertiefung in Umweltbiologie studiert hat. Es fällt schwer, sich an diesem eisig kalten Tag Mitte Februar vorzustellen, dass sich am Himmel oder in den Bäumen etwas bewegt – dabei ruft und singt es über unseren Köpfen schon richtig munter. Jonas Landolt macht darauf aufmerksam. Er hört die Vögel auch ohne extra hinzuhören – und er erkennt, welcher Vogel es ist.

In Kürze wird er sagen: «Hörst du das? Das ist ein Star, der da gerade singt.» Zuvor hatte er eine Kohlmeise rufen gehört. Seine Kenntnisse erschöpfen sich nicht im Bestimmen der Art – wer Jonas Landolt fragt, wovon sich die Vögel im Winter ernähren, erfährt sogleich auch Wissenswertes über einheimische Pflanzen und ihre Bedeutung für Vögel, Insekten und andere Tiere. In Kursen und Exkursionen vermittelt er sein Wissen, ab diesem Jahr auch exklusiv für «Pflanzenfreund»-Leser*innen. 

Bild: Kev / Pixabay

Bild: Kev / Pixabay

 

Vögel sind nicht die einzigen Tiere, die Jonas Landolt mit viel Leidenschaft erforscht: Parallel zum Studium vertiefte er selbstständig sein Wissen zu Libellen, Tagfaltern und Heuschrecken: «Ich realisierte damals, dass kaum jemand meines Jahrgangs faunistische Artenkenntnis hat.» Dieses Wissen brachte ihn auch zum Naturschutz, der Landschaft als Ganzes: «Es bringt nichts, einfach Nisthilfen aufzuhängen, wenn den Tieren in der Umgebung die Nahrung fehlt.» Auch bei seinen Exkursionen für den «Pflanzenfreund» wird Jonas Landolt auf die Interaktionen zwischen den verschiedenen Artengruppen fokussieren. Denn häufig sei es doch so: «Man schaut die Pflanzen an oder die Vögel oder die Libellen – aber nicht, wie sie miteinander in Verbindung stehen. Genau das finde ich aber spannend: Zu erkennen und auch zu verstehen, wie sie interagieren.» Gerade für den Naturschutz sei genau das relevant, erklärt er am Beispiel der Wildbienen: «Um sie zu fördern, braucht es ganz spezifische Blumen und Habitate wie beispielsweise Sandlinsen.»

Jonas Landolt ist in einem Haus mit Garten in ZürichHöngg aufgewachsen, «als Kind spielte ich gerne draussen, Ferien verbrachten wir oft in den Bergen. Von den Vögeln bin ich seit der Gymizeit fasziniert, da bot ein Lehrer einen Freifachkurs in Vogelkunde an. Endgültig gepackt hat mich das Vogelfieber dann in einem Lager von BirdLife Schweiz. Dafür durfte ich das Fernrohr meines Onkels ausleihen, der Jäger ist. Danach wollte ich unbedingt mein eigenes Fernrohr haben.»

Foto: Jonas Landolt

Foto: Jonas Landolt

 

Heute ist Jonas Landolt auch in seinen Tätigkeiten vielseitig unterwegs: Die Kurse und Exkursionen sind eines seiner Standbeine – andere sind Faunakartierungen, ökologische Naturraumaufwertungen und -beratungen sowie das dokumentarische Filmen. Sein aktuellstes Werk ist der beeindruckende sechsminütige Film, den er im Auftrag von BirdLife über den Steinkauz gedreht hat, dem Vogel des Jahres 2021. Und schliesslich ist er auch noch Geschäftsführer des Fördervereins «Natur im Siedlungsraum NimS, der im Zürcher Burghölzligebiet Gartenberatungen anbietet und durch vielfältige Aufwertungen Überwinterungsorte, Nist-, Vernetzungs- und andere Förderungsmassnahmen umsetzt. In jenem Gebiet befindet sich auch der altehrwürdige und heute von der Quartierbevölkerung genutzte Wynegg-Hof, auf dessen Grund sich der Kleinstrukturen-Lehrpfad befindet, den der Verein erstellt hat. Obwohl in der Winterruhe, ist er begehbar – Jonas Landolt erklärt bei jeder Struktur ihren Zweck: Die Sandlinsen dienen den bodennistenden Wildbienen, der in die Erde gegrabene Steinhaufen bietet zum Beispiel Erdkröten, Bergmolchen und Feuersalamandern Unterschlupf. Die Trockensteinmauern wiederum «sind Elemente, die wir in der Gartenberatung gerne ins Spiel bringen, weil man mit ihnen wunderbar gestalten und sie auch praktisch einsetzen kann, etwa als Sitzgelegenheit. Gleichzeitig sind sie wertvolle Unterschlüpfe für verschiedenste Tierarten.» Jonas Landolt schafft nicht nur wertvolle Lebensräume – er schafft es auch, Menschen wieder stärker mit der Natur in Verbindung zu bringen – indem er ihnen Wissen vermittelt und vor allem: sie die Zusammenhänge verstehen lässt, auch die Interaktionen zwischen verschiedenen Artengruppen und zwischen Tieren und Pflanzen. Wer mit ihm einmal draussen unterwegs war, wird den Garten und die Natur danach anders wahrnehmen.

www.inatura.ch

www.natur-im-siedlungsraum.ch/ueber-uns



Text: Esther Banz

 
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