Mächtig … selbstverliebt

Wie Grosswildjäger posierten manche Pflanzenjäger auf den ersten Schwarz-Weiss-Fotos. Wollten sie damit ihren elitären Status zum Ausdruck bringen oder war es am Ende vor allem Ausdruck von Eitelkeit?  

Text: Carmen Hocker, Bildrecherche: Julia Löffler

Wie ein Grosswildjäger posiert der Arzt und Zoologe Ernst Haeckel (1834–1919). Ob die Plantfluencerin Bella Bucchiotti (@bellabucchiotti) ihren Tropenhut nur als modisches Accessoire trägt?

Für unsere frühen Vorfahren ging es beim «Jagen und Sammeln» noch um das Sichern der eigenen Existenz. Kaum vorstellbar, dass sie auf ihren Streifzügen nach besonders hübschen Blütenpflanzen Ausschau hielten. Als die ersten Menschen sesshaft wurden, wuchsen auf ihren Feldern bestimmt Grundnahrungsmittel wie Getreide. Oder etwa nicht? Neue wissenschaftliche Untersuchungen haben Erstaunliches ans Licht gebracht: Die ersten Pflanzen, die Menschen anbauten, waren immer überaus begehrt oder selten. Darunter auch nicht essbare Pflanzen wie Arzneimittel und Halluzinogene. Bedeutet dies, dass die Neugierde und das Bestreben, etwas bisher nicht Dagewesenes zu entdecken, schon seit Urzeiten in uns angelegt sind?

Das zumindest würde die Strapazen erklären, die manche auf sich genommen haben, um die Welt – auf der Suche nach unbekannten Pflanzen – mit Segelschiffen zu erkunden.

Bestimmt waren Pflanzenjagende auch von Eitelkeit getrieben. Wer es schaffte, neue Länder und ihre Schätze zu entdecken und diese in die Heimat zurückzubringen, den erwartete Ruhm und Ehren. Um sicherzustellen, dass man nicht in Vergessenheit geriet, verewigten sich die vorwiegend männlichen Entdecker zudem in botanischen Pflanzennamen. Weit gefehlt, wer denkt, das Laster der Eitelkeit sei eine neuzeitliche Erscheinung der Instagram-Welt!

Eine Zimmerpflanze als schmückendes Beiwerk: dekolletéfrei bei Amy Kaleski (@amyz_k_), züchtig hochgeschlossen im viktorianischen Zeitalter.

Exotic Plant Hunters

Die Pflanzenjagd vergangener Jahrhunderte ist – wie die Jagd nach anderen Schätzen – ein Ausdruck des westlichen Kolonialismus. Verblüffend sind die ästhetischen Parallelen in der Selbstinszenierung früherer Pflanzenjäger und heutiger Plantfluencer*innen. Aber was sind exotische Zimmerpflanzen für ihre Besitzer*innen heute? Dekoration, Statussymbol oder gar Ausdruck «kultureller Aneignung»? Die Gegenüberstellung von Fotos aus der Kolonialzeit mit aktuellen Social-Media-Bildern regt zum Nachdenken an.

«Exotic Plant Hunters: Westliche Faszination für tropische Zimmerpflanzen im postkolonialen Kontext» ist der Name der Arbeit von Julia Löffler an der HAW Hamburg, aus der die hier abgebildeten Fotos stammen.

 

Ein edwardianisches Sommerzimmer anno 1903. «Auf eine Tasse» von Interior Designer Tim Labenda 2018 (@timlabenda).

 
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