Gehölze für kleine Gärten

Wer einen kleinen Garten sein Eigen nennt, befällt bei dem Gedanken an das Pflanzen eines Baumes nicht selten eine eigentümliche Höhenangst ... 

… Und aus Furcht vor dunklem Schatten, verlustig gehender Aussicht und Bewegungsfreiheit oder auch möglichem Ärger mit dem Nachbarn bleibt man zögerlich in der Horizontalen und meint zudem, dass grössere Pflanzen einfach nicht in einen kleinen Garten passten. Was ein Trugschluss ist. Bepflanzt man einen Liliput-Garten mit Winz-Pflanzen, wird seine Kleinheit geradezu akzentuiert; es fehlt das vertikale Element. Der Garten ist so mit einem Augenaufschlag zu übersehen, was bedeutet: Er ist schlichtweg langweilig. Ein bedachtsam platzierter Baum hingegen kann enorme Wirkung entfalten. Nun sind Libanon-Zeder, Flügelnussbaum oder auch eine Rosskastanie in kleinen Gärten – hier in den Niederlanden misst ein durchschnittlicher Reihenhausgarten aktuell nur um die 100 m2 – auf Dauer zweifellos eine Fehlbesetzung. Anstelle der recht halbherzigen Verlegenheitslösung in Form eines auf einen 120-cm- Halbstamm veredelten Gehölzes (ein vor allem in Vorgärten beliebtes besen- bis klobürstenähnliches Gebilde), lässt sich ein erstaunlich breiter Mittelweg finden (...).

Steckbrief Kleinbaum

Wenn man sich darauf einigen kann, dass die Eigenschaften des zukünftigen Baumes in etwa sein sollen:

  • eine Höhe und vielleicht auch Breite von circa 5 m nach etwa 15 Jahren,

  • nur relativ lichter Schattenwurf mit der Möglichkeit zu einer Unterpflanzung,

  • nicht nur zum Zeitpunkt der Blüte attraktiv,

  • möglichst auch faunafreundlich,

  • pflegeleicht und foolproof,

    dann lassen sich neben Bewährtem wie Zierapfel und -kirschen oder Felsenbirne innerhalb des Sortiments eine ganze Reihe überaus geeigneter, aber weitgehend unbekannter Schönheiten finden. Hier also auf der Basis von rein persönlicher Vorliebe und Erfahrung eine kleine Auswahl möglicher Kandidaten in willkürlicher Reihenfolge:

Styrax japonicus

Japanischer Schneeglöckchenstrauch; dichte, feine Verzweigung mit vor allem horizontalen Ästen; weisse, breit-glockenförmige Blüten in hängenden Trauben in grosser Fülle im Juni/Juli, die stark von Bienen angeflogen werden. Interessante, langgestielte Früchte.

 

Cercis canadensis 'Forest Pansy'

Ein Judasbaum mit dunkelrotem, herzförmigem Blatt, das sich im Herbst gelb-orange bis kupferfarben verfärbt; eine malerische, breite, locker verzweigte Krone mit im April / Mai vor dem Blattaustrieb purpurrosa Schmetterlingsblüten in kurzen Trauben. Mit Ausnahme des Seidelbasts das einzige Gehölz ausserhalb der Tropen, das Kauliflorie (=Stammblütigkeit) zeigt.

 

Quercus palustris 'Green Pillar'

Eine dicht-buschige, schlankwüchsige Sumpf-Eiche, die, anders als ihr Name vermuten lässt, auch mit normalfeuchtem Boden zufrieden ist. Das glänzend dunkelgrüne Laub färbt sich von Orange-Gelb nach Scharlachrot und fällt erst spät ab.

 

Maackia amurensis

Asiatisches Gelbholz; sparsam verzweigter, oft mehrstämmiger kleiner Baum mit filigranem Wuchs und einer später breit-schirmförmigen Krone; silbrig austreibende 20–30 cm lange gefiederte Blätter und im Juli/ August grünlich-weisse Blüten in aufrechten Trauben, die stark von Bienen angeflogen werden; dekorative Rinde mit feinen Korkleisten

 

Der vollständige Artikel mit 9 Pflanzenporträts ist in unserem ersten Bookazine zum Thema «Gartenmythen. Zwischen Trugbildern, Halbwahrheiten und Träumen» erschienen, ausgezeichnet in der Kategorie «European Garden Book Award» im Rahmen des Deutschen Gartenbuchpreises 2023.

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Birgit Verstoep

gärtnert seit dem frühen Grundschulalter. Nach dem Studium der Philosophie, Germanistik und Skandinavistik in Hamburg ist sie in Holland gelandet, wo sie aus ihrer beträchtlich ausgeuferten Garten-Leidenschaft einen Beruf machte. Seit vielen Jahren arbeitet sie für die Baumschule Esveld in Boskoop, weshalb sie weit mehr als die beschriebenen Gehölze kennt.

 
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