Pflanzenartige Wesen

Algen

Sie betreiben Photosynthese, doch zu den Pflanzen zählen sie nicht. Sie leben vor allem im Meer, aber auch im Süsswasser kommen sie klar. Generell gefällt es ihnen in feuchten Gebieten auf Waldböden, auf Baumstämmen und Blättern, aber auch an Felswänden haften sie. Vermeintliche von ihnen findet der Gärtner auch im Garten. Dank ihrer vielfältigen Verwendungszwecke hat sich dieses einzellige und mehrzellige Lebewesen Alge zum Alleskönner entwickelt.

Text: Alexandra von Ascheraden


 

SCHLEIMIGER KLIMAHELFER

Braunalgen, zu denen so bekannte Arten wie Seetang oder Blasentang gehören, sind echte Superpflanzen – vor allem wenn es darum geht, in grossen Mengen Kohlendioxid (CO2) aus der Luft zu binden. Die Braunalgenwälder in den Meeren nehmen mehr davon auf als alle Wälder an Land zusammen. Etwa ein Drittel des CO2 nutzen sie für ihr Wachstum. Den Rest geben sie wieder ab, etwa in Form von zuckerhaltigen Ausscheidungen, dem Algenschleim, darunter das so genannte Fucoidan. Letzteres finden Forschende des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie besonders spannend. Fucoidan ist nämlich äusserst widerstandsfähig. Der Schleim ist derart komplex aufgebaut, dass er für andere Organismen nur schwer nutzbar ist. Soll heissen: Keiner mag ihn fressen.

So bleibt das CO2 sehr lange gebunden, statt zurück in die Atmosphäre zu wandern. Die Forschenden haben ausgerechnet, dass die Braunalgen jedes Jahr mehr als eine halbe Milliarde Tonnen Kohlendioxid langfristig binden.

 
 

ALGENBLÜTE IST NICHT GLEICH ALGENBLÜTE

Die Algenblüte der Blaualge verdirbt immer öfter den Urlaub am Meer. Überdüngte Meere und Klimawandel lassen dieses plötzliche massenhafte Auftreten der Blaualgen häufiger werden. Dabei handelt es sich trotz des Namens aber nicht um Algen, sondern um Cyanobakterien. Die Spezies der Algen ist also unschuldig. Eine Blaualgenblüte kann Giftstoffe bilden, dem Gewässer Sauerstoff entziehen und den Wasserpflanzen das Licht zur Photosynthese nehmen. Das ist fürs Ökosystem bedrohlich. Wenn sie in Tiefen auftritt, in denen sich Trinkwasserentnahmestellen befinden, so belastet sie unser Trinkwasser mit Giftstoffen. Bisher glaubte man, dass es für ihr Wachstum hohe Temperaturen brauche. Man hat Blaualgenblüten unterdessen aber sogar unter Eis gefunden. Bevor nun aber alle böse mit dem Finger auf die Cyanobakterien zeigen – von mehreren 1000 Arten Blaualgen produzieren nur 40 Arten Toxine. Und die Blaualgen waren es, die vor 3,5 Milliarden Jahren die Photosynthese entwickelt haben. Ohne sie gäbe es unsere Sauerstoffatmosphäre nicht und damit nicht die unglaublich vielfältigen Lebensformen, die die Erde heute bevölkern.

Die anderen Algenblüten, so zum Beispiel jene, die im Frühling in den Küstenzonen der Nord- und Ostsee auftreten, sind sehr wichtig für das Ökosystem Meer. Hier vermehren sich «normale» Algen wie etwa Kieselalgen plötzlich massenhaft. Sie nutzen die intensivere Sonneneinstrahlung und die von den Flüssen über den Winter eingetragenen Nährstoffe. Wenn diese Algenbiomasse später abstirbt, bildet sie ein wichtiges Nahrungsreservoir für das Ökosystem, das über lange Zeit vom Bakterioplankton abgebaut wird. So ist diese Algenblüte über die Nahrungskette eine wichtige Voraussetzung für den Fischreichtum vor den Küsten.

 

ALGE BAUT SONNENSCHIRM

Die Alge des Jahres 2023 heisst Serritaenia und lebt im Wald. Diese Mikroalge wurde erst vor kurzem wiederentdeckt. Sie ist gut ans Landleben angepasst; in ihren Gallert-Kapseln kann sie Wasser speichern und so kurze Trockenphasen überdauern. Bemerkenswert an ihr ist, wie ihr Entdecker, der Botanik-Professor Anton de Bary (1831–1888) schrieb, ein «intensives … tintenfarbiges Colorit» in der Gallerte.

Das Wunderwerk geriet aber bald in Vergessenheit und wurde erst 150 Jahre später durch Kölner Forscher wiederentdeckt. Diese ergründeten das Geheimnis hinter der tiefblauen Färbung: Sie wird durch UV-Licht ausgelöst. Der Zweck der farbigen Gallerte ist es nämlich, die UV-Strahlung zu absorbieren. Diese würde das Erbgut der Alge schädigen. Die Färbung ist sozusagen eine chemische Variante des Sonnenschirms. Dieser ist übrigens nicht immer tiefblau. Er variiert von bläulich bis rötlich. Je nach pH-Wert der Umgebung.

 

Wissenswertes über weitere Algen findest Du in der Juni-Ausgabe 2023.

 
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