Unsichtbare Gärten

Nicht jeder Garten ist vergessen oder verschollen – manche sind auch ganz mit Absicht unter die Erde verlegt oder vor neugierigen Blicken versteckt worden.

Texte: Olaf Bernstein

© Matt Brown/wikimedia

Hyperrealistische Pflanzen: «Loo Gardens», London

Wir befinden uns in einer Beton­-Röhre, 50 Meter un­ter der Erde. Ein lebensfeindlicher Ort. Doch auf ein­mal singen Vögel. Dann tauchen phosphoreszierende Blumen aus dem Dunkel auf wie in einem Märchen­film. Feuchter Nebel verwandelt die Umgebung in einen Regenwald. Ein künstliches Gartenparadies in der Dunkelheit: «Loo Gardens». Etwas despektier­lich übersetzt könnte man vom «Klo­-Garten» spre­chen, was erst einmal wenig einladend klingt. Die Idee hinter der Gartenanlage ist jedoch eine überaus wichtige. Die Kunstinstallation des Designteams Joy Collective mitsamt der Klangwelt von Rob Lewis be­findet sich nämlich im Thames Tideway Tunnel – und der soll Londons Abwassersystem weniger anfällig für Überflutungen machen. Die Pflanzen, die hier wachsen, ähneln der Vegetation am Themse-­Ufer – durchsetzt mit recycelten Plastikblumen, die durch­weg hyperrealistisch wirken. Der «Klo-­Garten» zeigt aber nicht nur, wie wichtig ein funktionierendes Ab­wassernetz auch für die Gärten an der Oberfläche ist. Er ist schlicht eine Freude für die Sinne.

 

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Vordenker des Versteckens: Sir Joseph Bazalgette

Er war wohl einer der begabtesten Tiefbauinge­nieure des viktoriani­schen Zeitalters. Ihm hat London sein Ab­wassersystem zu ver­danken. Seine weg­weisenden, eiförmigen Abwasserkanäle aus Port­land-­Zement sind auch über 180 Jahre nach ihrer Erbauung noch funktionstüchtig – weil Bazalgette in weiser Voraussicht mit dem Doppelten des errechneten Be­darfs plante und die gesamte Anlage dann unter der Erde ver­schwinden liess. Doch auch diese Rohre stossen in Zeiten von Stark­regenereignissen und Bodenversiegelung immer häufiger an ihre Grenzen. Anstatt in der Kläranlage landet das Wasser dann in der Themse. Gegen diese unhygieni­sche Entwicklung wird in London 2025 der «Super Sewer» einge­weiht – ein gigantisches Rohr, 25 Kilometer lang, das den Über­schuss an Regen­ und Abwasser der Kläranlage zuführt und damit die Natur und die Umwelt schützt.

 

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Gehegte Welten: «Hofjes», Haarlem

Ein Besuch in der verträumten nie­derländischen Stadt Haarlem mit ihren Grachtenhäusern, dem Frans-­Hals­-Museum und dem Grote Markt wäre an sich schon eine Freude. Doch Haarlem ist vor allem aufgrund von Sehenswürdigkeiten berühmt, die tatsächlich auf den ersten Blick gar nicht zu sehen sind: die sogenannten «Hofjes». Diese ummauerten Höfe sind versteckte Gartenwelten inmit­ten der Stadt. Als frühe Sozialwohnungen für verarmte Witwen und alte Frauen gedacht, gruppieren sich klei­ne Wohneinheiten beispielsweise um einen mit wild wuchernden Blumen, Buchsbaumhecken und beschnitte­nen Kastanien bestandenen Innen­hof. Zu finden sind sie nur mit Mühe: Einige verbergen sich hinter grünen Türen, andere lassen sich durch schmiedeeiserne Gitter erspähen. Auf einer Gartentour lassen sich die­se versteckten Orte aufspüren. Das Schönste an ihnen: Sie sind noch heute mehrheitlich von bedürftigen Menschen bewohnt – ein historisches Stück Teilhabe inmitten wunder­barer Gartenlandschaften.

 

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Unterirdische Labyrinthe: «Dewstow Hidden Gardens Grotto», South Wales

Auch ganz klassische, an der Ober­fläche befindliche Gärten können un­sichtbare Anteile haben. Als Henry Roger Keane Oakley 1893 das An­wesen von Dewstow erwarb, hatte er vor allem eine intensive Leiden­schaft: Farne und tropische Pflanzen. Damit war er im viktorianischen Zeit­alter nicht alleine, war es doch erfüllt von einer «Farnmanie». So gelangten in der Natur gefundene Exemplare getrocknet unter Glas in Wohnräume, in aufwändig angelegte Steingärten, oder, als Muster und Dekoration auf Tapeten, Kissen und Kleidung – ja, selbst auf Kekse. Auch Dewstow war voll von Steingärten, Wasserspielen, ornamentalen Ausschmückungen und klassischen Gewächshäusern. Doch unter Tage erstreckte sich ein Gartenelement, das oberflächlichen Betrachtern verborgen geblieben mag: ein lang gestrecktes Labyrinth aus Grotten und Tunneln, das für die damalige Zeit in Aufwand und Gestaltung einzigartig gewesen sein muss. Grosse Teile der Anlage wurden bald mit Erde verfüllt, über 50 Jahre später wieder ausgegraben und teils in hervorragendem Zustand wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

 
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Künstlerische Gartenvisionen

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Traditionen im Tierreich