Schrulliges aus merry old England

Vom ersten Gartenzwerg, der ersten Guerilla-Gärtnerin und dem weiblichen britischen Farnwahn.

Texte: Nicole Häfliger

 

Der letzte erste Gartenzwerg

Im Jahre 1847 stand der 28-­jährige Sir Charles Isham in Nürnberg verzückt vor klei­nen, Bergarbeitern nachempfundenen Terra­kottafiguren und erwarb sogleich 21 Stück. Zwar als Glücksbringer und Deko für drin­nen gedacht, schienen die Zwergfiguren wie gemacht für Isham und seinen eben begon­nenen Alpingarten. Solche Gärten, rockery genannt, waren im viktorianischen England der letzte Schrei. Eigenhändig baute Isham 22 Jahre lang eine beeindruckende detail­getreue Gebirgslandschaft, bestückt mit alpinen Pflanzen und Zwergkoniferen. Zu einem Publikumsmagneten wurde sie aber durch die putzig arrangierten Szenen mit den 21 Zwergen. Etwa die heute klassische Gartenzwerg­-Szene fleissiger Minenarbeiter, aber auch eine, in der – wie auf dem Schild­chen daneben zu lesen – die Männchen streiken. Ob der bekennende Spiritist Isham, der an die Existenz von Naturgeistern glaub­te, wirklich dachte, die Gartenzwerge wür­den echte Zwerge anlocken, darf bezweifelt werden. Unzweifelhaft aber ist deren Ende. Nach Ishams Tod im Jahre 1903 wurden sie zerstört – will man der Überlieferung glau­ben, dienten sie den Töchtern für ihre Schiessübungen mit dem Luftgewehr. Vier­zig Jahre später entdeckte der Nachfahre Sir Gyles Isham in einer Felsspalte einen über­sehenen Zwerg. Seitdem steht der liebevoll genannte «Lampy» drinnen in Lamport Hall und kann dort besichtigt werden. Als einzi­ger Überlebender der ersten Gartenzwerge Englands wurde Lampy 1997 mit einer Mil­lion Pfund versichert.

 
 

Die erste Guerilla-Gärtnerin

Ob Ellen Ann Willmott die Rockery von Charles Isham kannte, als sie sich 1879 zu ihrem 21. Ge­burtstag von Papa auch eine wünschte? Vermut­lich. Dass aber dereinst mehr als 60 Pflanzen nach ihr, der künftig berühmten Pflanzensammlerin, oder ihrem Hauptwohnsitz Warley Place benannt würden, hätte sie wohl nicht geahnt. Nebst den Iris willmottiana, Ceratostigma willmottianum oder Epimedium x warleyense sticht Eryngium giganteum be­ sonders hervor. Jedenfalls wenn es um Schrullig­keit geht. In Fräulein Willmotts Handtasche pflegte nämlich nicht nur ein Revolver zu stecken, sondern auch stets Saatgut einer speziell silbrig­grauen Elfenbeindistel aus ihrem Garten. Ging sie durch fremde Gärten, streute sie heimlich davon in die Beete – ob aus Bosheit, purer Nächsten-­ oder vernarrter Pflanzenliebe, ist nicht überliefert. Ge­blieben ist der Name: Die Sorte heisst bis heute 'Miss Willmott’s Ghost'.

 
 

Der einzigartige Farnwahn

Nein, es ist keine Idee von Monty Python, den «Victorian Fern Craze» gab es tatsächlich. Einer Epidemie ähnlich erfasste er Eng­land über 50 Jahre lang und führte zu Farnbeeten und ­-gärten, Gewächshäusern für heikle Kandidaten (auch Miss Willmott hatte eines) und zu dekorativen Farnmotiven allüberall. Am populärs­ten aber wurde das Erjagen und Sammeln spezieller Sorten, nicht zuletzt bei Frauen, war dies doch eine der wenigen männerdomi­nierten Tätigkeiten, die ihnen erlaubt waren. Leider führte die Sammelwut dazu, dass einige Farne am Naturstandort regelrecht ausgerottet wurden. Gut, dass der Wahn Anfang des 20. Jahrhun­derts verebbte. Auch Schrulliges soll mal ein Ende haben.

 
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