Dünger und Düngerinnen

Texte: Nicole Häfliger

Eine kurze Geschichte des Düngens I

Mit den ersten sesshaften Steinzeitmenschen und ihrem gezielten Getreide- und Gemüseanbau begann auch die Geschichte des Düngens; mussten doch die mit der Ernte entnommenen Nährstoffe dem Boden wieder zugeführt werden. Die älteste Methode, der Wanderfeldbau, war wenig nachhaltig: Durch Brandrodung wurden Felder urbar gemacht und mit Asche vorgedüngt, nach zwei oder drei Ernten war der Boden aber erschöpft.* Wollte man dasselbe Feld über längere Zeit bestellen, bedurfte es weiterer Hilfsmittel. Wer keinen Nil und dessen Schlamm zur Hand hatte, griff auf tierische und menschliche Exkremente, Ernterückstände, Gründüngung und wiederholte Brachlegung zurück. Ab dem Mittelalter jedoch nahmen Missernten und Hungersnöte zu. Nachdem Alchemisten erfolglos nach einer künstlichen Möglichkeit der Ertragssteigerung gesucht hatten, gelang es Chemikern im 19. Jahrhundert, die Voraussetzungen für die Herstellung von Kunstdünger zu schaffen. Der bekannteste Wegbereiter unter diesen ist ein gewisser Herr namens Liebig.

*Ab dem 15. Jh. stand in Europa die nutzlose Vernichtung von Brennholz unter Strafe, in den Tropen ist diese Bodennutzungsart bis heute weit verbreitet.

 

Im hellen Rampenlicht

Justus von Liebig (1803-1873)

Zu Liebigs Zeiten forschten Wissenschaftler vorwiegend im stillen Kämmerchen, er aber ging bewusst an die Öffentlichkeit. Rege besucht waren seine Abendvorlesungen mit Schauexperimenten, die allen offenstanden – auch Frauen. Mit der Zeitungsbeilage «Chemische Briefe» machte er die Chemie einem noch breiteren Publikum verständlich. Doch auch innerhalb der Fachwelt waren seine neuartigen Experimental-Vorlesungen so beliebt, dass Studenten von weither zu ihm nach Deutschland reisten. Nebst noch heute benutzten Erfindungen wie dem Superphosphat, Chloroform oder Silberspiegel begründete Liebig die Chemie als eigenständiges naturwissenschaftliches Fach und gilt als Vater der Organischen sowie der Agrochemie.

Liebig erlebte selber die Hungersnot im «Jahr ohne Sommer» 1816, was ihn wohl auch veranlasste, sich mit Kunstdünger und Ernährungsfragen zu beschäftigen: Ihm zu verdanken ist das Backpulver, die erste Babyfertignahrung und nicht zuletzt «Liebigs Fleischextrakt», mit dem er zu Lebzeiten weltberühmt wurde. Dieser Berühmtheit ist es geschuldet, dass vor allem sein Name bei wegweisenden Entdeckungen oder Erfindungen genannt wird, auch wenn er dabei nicht immer der Erste oder Einzige war.

«Liebigs» Minimumgesetz

Auch das nach ihm benannte Minimumgesetz ist nur eine Weiter-führung. Entdeckt wurde es 1828 von Carl Sprengel und besagt:

Das Wachstum von Pflanzen wird durch jene Ressource (z. B. Wasser, Licht, Kohlenstoffdioxid, einzelne Nährstoffe) eingeschränkt, die im Verhältnis am knappsten vorhanden ist.

Hat eine Pflanze zu wenig Licht, bringt es nichts, ihr mehr Wasser oder Dünger zu geben. Mangelt es ihr an Kalium, dann braucht sie Kalium. Gibt man ihr gutgemeint einen Volldünger, wird der Boden dadurch nur überdüngt. Schlimmer noch: Laut dem Optimumgesetz (Wollny & Liebscher 1877), nimmt die Produktivität einer Pflanze ab, sobald das Optimum aller Ressourcen unter- oder aber auch überschritten wird.

 

Eine kurze Geschichte des Düngens II

All die neuen Kenntnisse schützten nicht davor, dass in der zweiten Hälfte des 20. Jhs. der Einsatz von Kunstdünger und Pestiziden, die stets weiter ausge­baute Monokulturlandwirtschaft und Massentier­haltung zu verarmten, erodierten und zugleich heillos überdüngten Böden führten. Was man dagegen tun könnte, versuchten Wissenschaftler schon Anfang des Jahrhunderts aufzuzeigen. Zum Beispiel der Botaniker und Mikrobiologe Francé, der Entdecker des Eda­phons – des Bodenlebens in seiner Gesamtheit – oder seine Frau, die österreichische Bodenbiologin:

 

Im unbekannten

Schatten

Annie Francé­-Harrar (1886–1971)

Wie Liebig lag auch der vielseitig begabten Annie Francé- Harrar viel daran, ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln. Die Forscherin, Abenteurerin und Visionärin schrieb unzählige Zeitungsartikel, Romane, Fachbücher, hielt Vorlesungen und war im Radio zu hören. Sie legte sogar selbst Hand an: in Budapest beim Aufbau einer städtischen Kompostieranlage und in Mexiko, auf Anfrage der Regierung, beim Kampf gegen die dortige Bodenerosion und -verschlechterung. Diesem Engagement ist zu entnehmen, was sie zeit ihres Lebens als wichtigstes Thema erachtete: den Schutz von Ackerböden bzw. dessen Humus und Edaphon mittels – heute aktueller denn je – nachhaltiger Abfallbewirtschaftung.

 

Buchtipp:

Annie Francé-Harrar
Die letzte Chance für eine Zukunft ohne Not
700 Seiten, BTQ-Eigenverlag 2012
(Originalausgabe 1950)

Das Buch kann auf der Website der Gesellschaft für Boden, Technik, Qualität BTQ e.V. gekauft oder als PDF kostenlos heruntergeladen werden.

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