Von Aasgeiern, Algen und Augen

Texte: Nicole Häfliger

Der Pilz zum Freuen

Wenn Du beim Öffnen eines gekauften Sackes Erde etwas Weisses er­spähst, dann freue Dich. Dein Substrat ist voller biologischer Akti­vität und lebendig! Es wurde zwar hygieni­siert, enthält aber noch erwünschte Mikroorga­nismen. Dasselbe gilt für Mitbewohner in Pflanztöpfen, seien dies Hutpilze oder ein weis­ser Schimmelbelag. Bei all diesen Pilzen han­delt es sich meist um Saprophyten, um Orga­nismen, die sich von abgestorbenem organi­schem Material ernäh­ren – willkommene Aasgeier gewissermas­sen – und darum völlig ungefährlich für Pflan­zen sind. Am liebsten sind ihnen warme und (dauer­-)feuchte Bedin­gungen. Zustände also, die insbesondere in Plastiksäcken und zu häufig gegossenen Zim­merpflanzentöpfen herrschen. Unterneh­men musst Du nichts, Allergiker allerdings sollten vorsichtshalber die Hutpilze entfernen, da deren Sporen sie stören könnten.

 

Das Bakterium zum Glück

Ein anderer Saprophyt ist Myccobacterium vaccae. Eher zufällig entdeckte 2007 der britische Neuro­ wissenschaftler Chris Lowry, wie beglückend sich dieses Bakterium auswir­ken kann, fördert es doch die Ausschüttung des Glückshormons Serotonin. Nachfolgestudien bewie­sen, dass Mäuse, denen diese Bakterien verabreicht wurden, weniger Entzün­dungen aufwiesen, stress­resistenter waren sowie bessere Denk­ und Ge­dächtnisleistungen erbringen konnten. Wenn Du schon immer das Gefühl hattest, das In­-der-­Erde­-Wühlen täte Dir ganz besonders gut: Du hattest das richtige Näschen! Am liebsten nämlich tummelt sich Myccobacterium vaccae in mit Mist und/oder Kompost angereichertem Boden. Wenn wir nun dar­in jäten und graben, gerät es unweigerlich in Nase, Mund und unseren Stoff­wechsel. Gärtnernde Men­schen sind also durchweg schlauer, gesünder und glücklicher. Aber das wussten wir ja schon längst. Nicht wahr?

 

Meh Dräck!

1 Teelöffel Gartenerde enthält 1 Milliarde Mikroben.

⟶Gärtnernde Menschen haben eine vielfältigere und gesündere Darmflora.

 

Die Alge, die keine ist

Bist Du schon einmal – nach einem Regenfall – auf Deinem Kiesweg fla­niert und hast eklige gallertartige Häufchen entdeckt (oder, was Dir nicht zu wünschen ist: bist auf ihnen aus­gerutscht)? Kein Grund zur Besorgnis! Es han­delt sich um eine gänzlich harmlose Form der Cyanobakterien, verwirrenderweise auch Blau­algen genannt – denn sie sind Bakterien, kei­ne Algen. Faszinierende Einzeller, die eigentlich niemandem ein Haar krümmen wollen. Im Gegenteil. Ihnen haben wir es zu verdanken, dass die Entfaltung tie­rischen Lebens (also auch wir) erst möglich wurde. Die Einzeller be­stehen nämlich vor al­lem aus Chlorophyll und können daher Pho­tosynthese betreiben. Darüber hinaus können sie Luftstickstoff bin­den und bei Trocken­heit als dünne schwarze Krusten überdauern, was sie auch in Extrem­regionen gedeihen lässt. Am liebsten ist ihnen eine vegetations­freie Oberfläche: Kies­wege, Steinplatten und Ähnliches lassen ihr nicht vorhandenes Herz höherschlagen. Asiatische und peruanische Gourmetherzen erfreuen sie seit jeher: Statt auf ihnen auszu­rutschen, pflegt man sie dort zu essen.

 

Sternenpopel

Dem Schweizer Paracelsus verdanken die Cyanobakterien ihren bio­logischen Namen Nostoc. Aus englisch nostril und deutsch Nasenloch formte er das Wort Nostoch. Zu seiner Zeit im 16. Jahrhun­dert folgerte man, dass diese Nasenpopel-­ähnliche Lebensform nur aus dem All stammen konnte. Von schnupfengeplagten Sternen nämlich.

 

Augen auf zu!

Wer sich nicht auf Nostoc-Bakterien aus­rutschend das Genick bricht, begegnet im Garten anderen Fähr­nissen. Gerade in Bezug aufs Augenlicht prüfe man gut, wohin man blicke. Zwar kann die oft erwähnte UV­-Strah­lung unseren Gärtner­augen nicht viel anha­ben, dafür sehen wir zu oft nach unten, doch gerade da lauern Gefah­ren. Fokussiert man auf ein Unkraut, das es zu entfernen gilt, sieht das Auge nichts anderes mehr als das. Beherzt bückend rammt man sich den Trottelstab ins Auge, den man nur ge­steckt hat, um sich dar­an zu erinnern, dass da etwas Tolles wächst. Doch auch Trottelstab­lose kriegen das prima hin, ein übersehener senkrecht wachsender Trieb genügt vollauf. Die Verletzungen, die man sich dabei zu­ziehen kann, sind nicht zu unterschätzen. Nun, wo gehobelt wird, fal­len Späne. Im Garten schiessen sie einem re­gelrecht ins Gesicht: wie etwa Erde beim hebeln­den Jäten oder beherz­ten Rausreissen von Gewächsen. Mit etwas Erfahrung vermeidet man offene Münder und Augen bei diesen Tätigkeiten. Von diesem schützenden Schliessen der Augen ist eher abzuraten, wenn man am Sägen ist, besonders über Kopf. Beim Schneiden von Wolfs­milchgewächsen hin­gegen tut man gut dar­ an, nicht nur ein Auge zuzudrücken. Spritzt der Milchsaft unvermu­tet ins Auge, kann das sogar zu Hornhaut­schäden führen. Wie gut, haben wir doch unser Gartenglücks­bakterium!

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