Pioniere der Lebensmittelproduktion

Städtische Grünflächen neu gedacht

70 aktive und 33 abgeschlossene Projekte hat der Verein Urban Agriculture Basel UAB in seinem Portfolio. Neben diversen Gemeinschaftsgärten und Gemüseabos gibt es ein Backwaren-Outlet, eine genossenschaftlich organisierte Käserei, eine Samenbörse, einen Gemüsekiosk, Stadthühner, Unverpacktläden, Gartenprojekte für Schulen und Kitas, ein Abhol- und Recyclingsystem für Grünabfälle, Stadtpilze und vieles mehr. Ein Interview mit Tilla Künzli, treibende Kraft hinter UAB.

Text: Nicole Egloff

Der Gemeinschaftsgarten Landhof ist eines der ältesten UAB-Projekte.

Bild: Gemeinschaftsgarten Landhof

 

Was war die Motivation, Urban Agriculture Basel zu gründen?

Isidor Wallimann, ein inzwischen fast 80-jähriger sehr umtriebiger Ökonom und Soziologe, hatte 2010 die Idee dazu und holte Bastiaan Frich und mich, damals beide Anfang 20, sowie vier andere, die nicht mehr dabei sind, mit ins Boot. Ich lebte davor in verschiedenen internationalen Grossstädten und war schockiert zu sehen, wie wenig wir über das, was wir dreimal täglich konsumieren, wissen – wie weit entfernt die Menschen vor allem in den Städten von der Lebensmittelproduktion sind. Der Kern unseres Netzwerkes ist, dass wir Bürger*innen diesbezüglich aktiv unterstützen und so jede*r selber Verantwortung für ein Projekt übernehmen kann. Wir wollen nicht bloss produzieren, sondern auch kultivieren. Deshalb finden hier auch Themen rund um Haltbarmachen, Kochen, Einkaufen, Kompostieren etc. Platz. So wurden wir zum Verein, der als Netzwerk funktioniert. Wir sind Geburtshelfer*innen, die Personen mit Ideen helfen, diese aufzugleisen, sich mit den passenden Menschen zu vernetzen oder Gelder und Mitstreiter*innen zu finden.

Welche Kriterien muss ein Projekt erfüllen, um von euch unterstützt zu werden?

Drei Kriterien: Es muss mit Lebensmitteln zu tun haben, in der Region Basel angesiedelt sein und nach biologischen Grundsätzen funktionieren. Einzig bei Foodsave- und Foodwaste-Projekten machen wir bezüglich biologischer Produktion eine Ausnahme, da es darum geht, bereits produzierte Lebensmittel zu retten.

 

Tilla Künzli, Künstlerin und treibende Kraft hinter UAB.

Bild: Anja Kuenzler

 

Eines eurer innovativsten Projekte ist wohl «plankton» …

Ja, es ist eines meiner Lieblingsprojekte. Leider harzt es ein wenig … Die Idee von plankton ist, Lebensmittel auf ungenutzten Flächen mitten in der Stadt anzubauen; in Hinterhöfen, Gärten oder auf unmotivierten Grünflächen rund um öffentliche Gebäude oder Mehrfamilienhäuser. Von diesen Flächen gibt es unglaublich viele. Aber leider ist es nicht so einfach, die Leute zu begeistern, plankton diese Flächen zu überlassen. So produziert plankton heute noch die meisten Zutaten der 80 Gemüseabos, die wir in diesem Projekt beliefern, auf «normalen» Ackerflächen am Stadtrand. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass mit der Klimakrise und generell den Polykrisen, die herrschen, es irgendeinmal normal wird, dass eine Grünfläche in der Stadt mehrere Funktionen haben kann. Ganz wichtig übrigens: Bevor wir irgendwo Lebensmittel anbauen, wird der Boden professionell auf Schadstoffe untersucht.

 

Ein Strauss mit aus dem Garten eines Abbruchhauses geretteten Pflanzen.

Foto: Anja Kuenzler

 

Wisst ihr, wie viele Leute Lebensmittel konsumieren, die in den Projekten produziert werden?

Nein, genau wissen wir das nicht. Die Projekte funktionieren sehr autonom, nachdem wir geholfen haben, sie anzuschieben. Sowieso ist vieles, das wir machen, nicht messbar. Das macht es oft auch schwierig, Geldgeber*innen zu finden, denn die wollen Zahlen sehen. Unser Netzwerk funktioniert aber wie ein Myzel: Wir sind im Untergrund und man weiss nicht genau, wo es hinwächst. Vor allem am Anfang wurden wir oft belächelt und als Hype abgetan. Jetzt aber nach 13 Jahren können wir viel vorweisen, was wir in Basel bewirken konnten.

Dann läuft jetzt alles fast von selbst?

Leider nein. Ehrlich gesagt sind wir momentan in einer Reinkarnationsphase, da wir drei Gründungsmitglieder, die unter anderem im Vorstand und in der Geschäftsleitung tätig waren, aus diversen Gründen heute nicht mehr Zugpferde sein können oder wollen. Das Netzwerk hängt so stark von uns dreien ab – und wir machen die meiste Arbeit ehrenamtlich – das kann auf die Länge nicht gut gehen. Da wir das Netzwerk aber um keinen Preis sterben lassen wollen, soll es nun einen Schritt in Richtung Professionalisierung gehen. Neu haben wir eine bezahlte Stelle geschaffen und auch eine passende Person dafür gefunden, so dass ich mich nach ihrer Einarbeitung etwas zurückziehen und mich vermehrt meinen eigenen Projekten widmen kann. Im Projekt «Stielbruch» beispielsweise kreiere ich ganzjährig Sträusse aus Blumen, Ästen und Gräsern, die ich auf Schnittguthaufen finde, oder von gefällten Bäumen und aus verlassenen Gärten bei Abbruchhäusern, die bald gerodet werden, rette.

 

Tilla Künzlis Blumensträusse findest Du hier: Stielbruch

Urban Agriculture Basel ist eines der drei visionären Projekte, die wir in der Pflanzenfreund-Ausgabe vom März vorstellen.

 
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