Beruhigendes Kraut
Rupfen, kauen, rupfen, kauen und zwischendurch ein erholsames Schläfchen – Schafe scheinen ihr Leben im Dauerzustand der Tiefenentspannung zu verbringen. Ein echtes Vorbild sind die wolligen Sympathieträger aber nicht nur aufgrund ihrer Gelassenheit, sondern auch wegen ihrer medizinischen Fachkenntnisse. Seit jeher setzen sie bei der Gesundheitsvorsorge auf eine Pflanze, die sich schon vor Jahrhunderten auch in der Humanmedizin einen Namen machte: die Schafgarbe.
«Insbesondere die Wiesen-Schafgarbe (Achillea millefolium) ist für ihre segensreichen Inhaltsstoffe bekannt, deshalb trägt sie auch so klangvolle Namen wie «Jungfraukraut», «Blutstillkraut» oder «Grundheil», erklärt Wolfgang Siebler von der Gärtnerei Stauden-Siebler im niedersächsischen Schwarmstedt. Auch der botanische Gattungsname Achillea verweise auf die heilenden Eigenschaften der mehrjährigen Pflanze, von der bereits der griechische Sagenheld Achilleus profitiert haben soll. ‹Die Artbezeichnung millefolium – also «Tausendblatt» – geht hingegen auf die grazilen, fein gefiederten Blättchen zurück.»
Zartes Laub, ausdrucksstarke Blüten –
auch bei Trockenheit
Tausendblatt. Ein malerischer Name für eine malerische Pflanze, denn Schafgarben sind neben ihren inneren Werten auch echte Schönheiten. «Den Schafen scheint das ziemlich egal zu sein, zumindest hält es sie nicht vom Fressen ab», meint Siebler augenzwinkernd, «aber dafür begeistert die attraktive Optik uns Zweibeiner umso mehr!»
Die weissen Blütenschirme der Art Achillea millefolium blitzen vorwiegend in Naturgärten auf. Zusammen mit blauviolettem Wiesen-Salbei (Salvia pratensis), gelbem Wiesen-Hornklee (Lotus corniculatus) und rosaroten Wiesen-Flockenblumen (Centaurea jacea) beispielsweise verleihen sie wiesenhaften Pflanzungen ihr typisches sommerliches Flair.
Leuchtende Farben
Ebenfalls eine wunderbar naturhafte Ausstrahlung besitzt die aus Vorderasien stammende Goldgarbe, Achillea filipendulina. Wolfgang Siebler kombiniert die goldgelben Blütenschirme der beliebten, bereits 1952 entstandenen Sorte ‘Coronation Gold’ zum Beispiel gerne mit Königskerzen (Verbascum), Silber-Ährengras (Stipa calamagrostis), Blauraute (Perovskia atriplicifolia) und Hoher Fetthenne (Sedum telephium). «Zum eigentlichen Höhenflug haben aber beide Garben-Arten erst vor einigen Jahren angesetzt», berichtet der Staudenexperte. «Zwar hat der berühmte Staudengärtner Ernst Pagels bereits in den 1990er-Jahren eine Reihe herrlicher Achillea-filipendulina-Sorten gezüchtet, aber er war seiner Zeit offenbar voraus. Jedenfalls finden diese nach wie vor exzellenten Sorten erst heute richtig Anklang – zusammen mit den vielen leuchtstarken Sorten von Achillea millefolium, deren Sortiment von Jahr zu Jahr grösser wird.»
Vielseitig einsetzbar
Gestalterisch lassen sich beide Gruppen extrem vielseitig einsetzen. «Unverzichtbar sind sie für Prachtstaudenrabatten, insbesondere für Ton-in-Ton-Pflanzungen, aber sie setzen auch fröhliche Farbkleckse in Gräsergärten und passen dank ihrer klaren Formen gut zu moderner Architektur.» Die Bandbreite reicht von Weiss-, Gelb-, Rot- oder Orangetönen bis zu pastelligen und zweifarbigen Varianten wie den Achillea-filipendulina-Hybriden ‘Terracotta’ und ‘Feuerland’. Einige Sorten ändern zudem ihre Farbe im Laufe der Blütezeit. Achillea millefolium ‘Belle Epoque’ beispielsweise erblüht zunächst in herrlichem Kirschrot, um dann verschiedene Rosanuancen zu kombinieren. Auch die leuchtend violetten Blüten von ‘Lilac Beauty’ verblassen mit der Zeit, jedoch ohne dabei unansehnlich zu werden.
Zur Schere zu greifen, kann sich dennoch lohnen, zumindest nach dem ersten Flor im Juni/Juli. «Wer Verblühtes kontinuierlich ausschneidet, kann im September mit einer zweiten Blüte rechnen», verrät Wolfgang Siebler. Sind diese Blütenstände ebenfalls verblüht, lässt er die trockenen Triebe ganz bewusst stehen. «Sie bringen schöne Winteraspekte in den Garten und dienen Insekten als Winterquartier, deshalb werden sie erst kurz vor dem Neuaustrieb im Frühjahr entfernt.»
Hitzefester Insektenmagnet
Auch zur Blütezeit ziehen die farbenfrohen Korbblütler unzählige Insekten an, denn nahezu alle Schafgarben punkten mit einem reichhaltigen Nektar- und Pollenangebot. «Zu den wenigen Ausnahmen zählt die Gefüllte Bertramsgarbe Achillea ptarmica ‘Schneeball’ beziehungsweise ‘The Pearl’, die allerdings mit ihren unzähligen reinweissen Blütenkugeln und der langen Blütezeit von Juni bis September gestalterisch wirklich fantastisch ist», schwärmt Garben-Fan Siebler. Mit einer Wuchshöhe von 70 cm passt sie perfekt zu den durchschnittlich 60 cm hohen Millefolium-Sorten und den meist etwas grösseren, bis maximal 120 cm hohen Filipendulina-Züchtungen. Wie diese beiden Gruppen liebt Achillea ptarmica volle Sonne und im Frühjahr etwas Kompost. Sie braucht jedoch etwas mehr Wasser, während die meisten Schafgarben selbst an trockenen Plätzen problemlos gedeihen – auch polsterbildende Arten wie die wintergrüne, etwa 10 cm hohe Gelbe Schafgarbe (Achillea tomentosa) oder die 15 cm hohe Dalmatiner-Silbergarbe (Achillea ageratifolia).
«Das einzige, was man beachten sollte: Schafgarben sind nicht allzu langlebig. Damit sie dauerhaft erhalten bleiben und üppig blühen, sollte man sie alle drei bis vier Jahre teilen», rät Wolfgang Siebler. Vielen Achillea-Fans passt das ganz ausgezeichnet, denn bei einem einzigen Exemplar bleibt es selten – Schafgarben sind Herdentiere.
Text: Mascha Schacht, Schreibwerkstatt Aquilegia
Der Bund deutscher Staudengärtner stellt seit 2001 eine Gattung als Staude des Jahres vor, um auf die Vielfalt aufmerksam zu machen.