Rezeptpflichtiger Pflanzenschutz

Erwin Meier-Honegger ist Co-Geschäftsleiter der Firma Ernst Meier AG, Gärtner und setzt sich leidenschaftlich für seinen Berufsstand ein. Er ist international in zahlreichen Gremien aktiv und pflegt einen kritischen Blick auf seine Branche. In seinen Artikeln und Kommentaren nimmt er kein Blatt vor den Mund.

 

«Aus dem Bedürfnis, Pflanzen zu schützen, zu nähren und zu pflegen, ist ein hortikulturelles Gesundheitssystem gewachsen, welches lang dem Kredo ‹viel hilft viel› folgte.»


Die Natur zu bändigen und eigene Kulturen zu behüten, ist ein anspruchsvolles Unterfangen, von welchem zahlreiche Wirtschaftszweige profitieren. Aus dem Bedürfnis, Pflanzen zu schützen, zu nähren und zu pflegen, ist ein hortikulturelles Gesundheitssystem gewachsen, welches lang dem Kredo «viel hilft viel» folgte. Mittlerweile ist jedoch die Erkenntnis gereift, dass dieser Ansatz riesige Nebenwirkungen nach sich zieht.

Ein Teil dieser «Risiken und Nebenwirkungen» wird mittlerweile auch bei Pflanzenschutzmitteln in der Packungsbeilage deklariert. Jedoch sind diese Inhalte reichlich abstrakt und dienen den Inverkehrbringenden höchstens als formal juristischer Produktehaftpflicht-Ausschluss.

Auch das letzte Unkraut muss weg! Foto: Mauritius Images

 

Dies ist natürlich auch den zuständigen Umweltschutzbehörden bewusst, welche daher Schritt für Schritt den Zugriff auf chemische Pflanzenschutzmittel einschränken. Das wird nun von manchen als Bevormundung und Ökodiktatur bejammert. In Anbetracht des kritischen Zustands der Biodiversität stellen andere dieses Vorgehen als zu halbherzige Massnahme in Frage.

Beide Ansichten kann ich nachvollziehen und bin als Gärtner daher gespalten. Unbestritten ist, dass Pflanzenschutzmittel oftmals unsachgemäss angewendet werden – was neben der Schädigung der Umwelt in vielen Fällen sogar die Wirksamkeit der Mittel unterbindet und Unwissende dazu verleitet, einfach noch mehr davon zu verwenden. Ein klassischer Teufelskreis.

Somit machen Einschränkungen absolut Sinn. Was mir jedoch fehlt, ist die Option des rezeptpflichtigen Pflanzenschutzmittels. Wenn ich mich mit einem Gebrechen an meinen Hausarzt wende, kann dieser manchmal einfach zu mehr Sport und etwas gesünderer Ernährung raten. In einem anderen Fall ist eine medikamentöse Behandlung angebracht und ich erhalte eine genaue Instruktion für die passende Einnahme, bevor ich die empfohlenen Wirkstoffe in einer vorgegebenen Kleinmenge gegen Rezept beziehen kann. Genauso könnte es doch auch beim Pflanzendoktor funktionieren.

Dieser Ansatz würde die beratenden Instanzen im Verkauf von Gartenprodukten auch vom Dilemma befreien, die Entschädigung für ihre Kompetenz durch die Marge der verkauften Pflanzenschutzmittel sicherzustellen. Wenn ich als Pflanzenschutzberater meinen Lohn mittels einer fundierten Beratung als Honorar erhalte, gibt es für mich andere Anreize.

Auf das Dilemma zwischen Konsum und Umweltschutz angesprochen, stellte der Zukunftsforscher und Handelsspezialist Dr. David Bosshart vor einiger Zeit die entscheidende Frage in den Raum: «Können wir Verzicht verkaufen?» Wenn die Gesetzgebung dieser Fragestellung keine Beachtung schenkt, riskieren die dem Umweltschutz verpflichteten Behörden, dass die Beratungskompetenz hinsichtlich umsichtiger Pflanzenpflege verkümmert. Und das ist für den Umweltschutz keine nachhaltige Strategie.

 
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