Paarungszeit

Von der Kunst der Fortpflanzung

In der Natur ist alles miteinander verwoben. Flora und Fauna verbinden vielschichtige Beziehungen. Doch auch die Tierwelt allein hat geheimnisvolle Strategien entwickelt, um ihr Überleben zu sichern.

Text: Alexandra von Ascheraden, Bilder: Mauritius Images


 

Amphibie ohne Teich – der Alpensalamander

Amphibien legen ihre Eier in Tümpel, wo die Larven die erste Phase ihres Lebens verbringen, mit Kiemenatmung und als geschickte Schwimmer. Nur was, wenn man im Hochgebirge lebt und Teiche da alles andere als häufig sind? Vermenschlichend formuliert: Die Kinder kriegen keinen Schwimmunterricht.

Der Alpensalamander verzichtet auf die Teichphase und bringt stattdessen ein oder zwei Jungtiere lebendgebärend zur Welt – von Anfang an ausgestattet mit Lungen. Die sind dann an die vier Zentimeter gross und haben damit bei der Geburt bereits ein Viertel der Grösse ihrer Mutter. Das verbessert ihre Überlebenschancen deutlich.

Möglich ist das, weil das Weibchen zwei Gebärmütter hat und sich somit zwei Junge gleichzeitig entwickeln können, ohne sich ins Gehege zu geraten. Beide Nachkommen ernähren sich erst von den restlichen, nicht überlebensfähigen Eiern, dann von ihrem eigenen Eidotter, am Schluss von Nährzellen der Gebärmutterwand, die von den Kleinen abgeweidet werden. Die Larven haben zwar Kiemen, diese aber bilden sich vor dem Geburtsvorgang zurück und werden durch Lungen ersetzt. Je nach Klima kann die Entwicklung im Uterus zwei bis vier Jahre dauern.

 

Wilde Verwicklungen – die Geburtshelferkröte

Frosch- und Kröteneltern haben wenig Sorgen mit dem Nachwuchs: Laich in den Teich und dann sollen sich die Kleinen um sich selbst kümmern. Nun, so einfach machen es sich nicht alle. Bei den Geburtshelferkröten produziert das Weibchen, wie seine Kolleginnen anderer Arten, eine Laichschnur. Der künftige Vater aber überlässt den Nachwuchs nicht seinem Schicksal. Er steckt die Hinterbeine in die zu einem Knäuel geformte Laichschnur, spreizt sie weit nach aussen und lässt die Schnur so über seine «Fersen» glitschen. Das macht er so lange, bis alle Eier an den Hinterbeinen befestigt sind. Die Gallerte trocknet dabei zu elastischen Bändern und erleichtert ihm die Arbeit.

Bei den Larven kann es sich übrigens leicht um Halbgeschwister handeln. Denn die Schnur hält die Kröte nicht davon ab, sich noch mit einem weiteren oder selten auch einem dritten Weibchen zu paaren. Je nach Witterung bleiben die Laichschnüre 20 bis 45 Tage am väterlichen Bein. Wenn die Eier reif sind, steigt er ins Wasser und der Nachwuchs beginnt sofort zu schlüpfen. Geburtshelferkröten legen verhältnismässig wenige, dafür grosse und dotterreiche Eier. Beim Schlupf sind die Larven bereits mehr als einen Zentimeter gross und haben dadurch bessere Überlebenschancen.

 

Die komplizierte Paarung: spezielles Hilfsnetz für Spinnen

Spinnenmännchen haben es bei der Paarung nicht leicht. Bekanntlich werden sie danach manchmal gefressen. Doch auch die Paarung an sich steckt voller Hürden. Das fängt schon mit den Kopulationsorganen an. Sie sind reichlich unpraktisch platziert. Wobei, sie bewähren sich seit 300 Millionen Jahren. Ebenso lange wie die Fortpflanzungsorgane der Säugetiere. Ihre Anordnung ist vielleicht nur aus Sicht eines Säugetiers wie des Menschen «unpraktisch». Bei den Spinnen jedenfalls hat das Männchen zwei innenliegende Hoden unter dem Bauch. Aber einen Penis? Fehlanzeige. Zur Begattung braucht es ein anderes Hilfsmittel, den Bulbus. Der wiederum sitzt am Ende des Tasters und ist evolutionär ein umgewandeltes Vorderbein. DerBulbus gehört zu den kompliziertesten Kopulationsorganen, die es überhaupt gibt. Jede Spinnenart hat ihre eigene Variante davon, die wie der Schlüssel ins Schloss zu den entsprechenden Organen am Weibchen passt. Wehe, es passt irgendeine kleine Windung nicht, dann wird es nichts.

Jetzt muss aber erst einmal das Sperma ins Spiel kommen. Nur kommt Herr Spinne mit dem Bulbus nicht an die Furche an seinem Hinterleib, aus der es austritt. Also spinnt er erst einmal ein kleines Netz. Darauf setzt er einen Spermatropfen. Nun kann er das Sperma mit dem Bulbus aufsaugen. Wenn es dann später soweit ist und das Weibchen paarungsbereit, setzt er den Bulbus in dessen ebenfalls je nach Art eigens geformte Einfaltung des Aussenskeletts, die Epigyne. Diese mündet in ein Reservoir, das mit dem Uterus verbunden ist. Nur wenn Bulbus und Epigyne in jedem Detail perfekt ineinander passen, kann das Sperma über tragen werden. Tja, und dann heisst es sausen. Nicht, dass doch noch jemand gefressen wird.

 

Dieses Porträt ist in der Dezember-Ausgabe 2022 erschienen.

 
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