Frösche willkommen!
In seinem Naturgarten hat Peter Maag Lebensräume für Frösche und Kröten geschaffen. Zusammen mit den Verbündeten des «Büros für Wildtierarchitektur» identifiziert er Strassenschächte sowie andere für Amphibien tödliche Fallen und unterstützt Gemeinden, die gefährdeten Tiere besser zu schützen.
Text: Esther Banz, Bilder: Esther Banz und Büro für Wildtierarchitektur
Inmitten eines typisch aufgeräumten Schweizer Einfamilienhaus- Quartiers plätschert ein Bächlein fröhlich durch einen wilden Garten. Unten angelangt, fliesst das Wasser in einen kleinen von Schilf umgebenen Teich, der bei wärmeren Temperaturen zum Baden einlädt.
Es ist Anfang März, kalt und grau – noch sieht der bald erblühende Naturgarten ziemlich kahl aus. Die ersten Grasfrösche haben aber bereits ihren Laich abgelegt – im Bächlein und nicht im Teich, was zu Spekulationen veranlasst: Sind die Eier hier besser vor Gefahren geschützt, etwa vor dem Appetit der Enten, die den Teich im Frühjahr gerne aufsuchen? Das Rätsel bleibt ungelöst.
Klar ist: In diesem Garten gefällt es Fröschen, Kröten und auch Molchen. Das Ehepaar Peter und Christiana Maag hat ihn im zürcherischen Nürensdorf eigenhändig angelegt. Vor 25 Jahren kauften sie das Grundstück, bauten ein Holzhaus darauf und gestalteten den Aussenraum: «Hier war vorher sozusagen Wüste», sagt Peter Maag. Gepackt von der Leidenschaft für den Naturgarten las der inzwischen pensionierte Transportunternehmer unzählige Bücher.
Die Büsche und Bäume zogen er und seine Frau aus Samen und Stecklingen selber. Jahre habe es gedauert, bis es nach etwas aussah, erzählt der Gärtner und Amphibienkenner, «die Leute munkelten, uns sei wohl das Geld ausgegangen ». Doch nach und nach wurde der Garten zur strukturreichen Oase mit einheimischen Pflanzen, die Tieren Nahrung und Schutz bietet und Fortpflanzung ermöglicht – Vielfalt für eine Vielzahl von Leben.
Zeiger für Biodiversität
Peter Maag erzählt dies am Telefon, da er gerade noch in den Ferien ist. Durch den Garten der Familie führen Tochter Andrea Maag und Amphibienspezialist Simon Gaus. Letzterer hat das Büro für Wildtierarchitektur (WTA) mitgegründet und bei der Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz Schweiz gearbeitet. Dort entwickelte er Merkblätter und Rettungswerkzeuge für Amphibien im Siedlungsraum: «Wer Amphibien als Zielart hat, deckt viele verschiedene Lebensräume ab: Wasser, Feuchtstandorte, Trockenstandorte, schattige Plätze. Man kann für diese Tiere mit allen Elementen eine Landschaft bauen.
Wenn die Frösche, Kröten und Molche kommen, sind sie Zeiger für eine funktionierende Biodiversität. » Die Grundlage seien einheimische Blütenpflanzen und wilde Strukturen, die Insekten anlocken, denn die Nahrungskette müsse stimmen: «Insekten sind Teil der Basis von allem, auch für Amphibien.» Hat es im Garten Frösche, Kröten und Molche, entpuppen sie sich als Nützlinge, weiss Simon Gaus: «Amphibien essen Schnecken und Mücken.» Wichtig sei einfach, dass kein Gift ausgebracht werde, weil Amphibien die Stoffe auch über die Haut aufnehmen.
Gefahrvolle Wanderzeiten
In der Regel gehen Amphibien zur Paarungszeit wieder zu dem Gewässer zurück, in dem sie sich einst zur Kaulquappe und schliesslich zum jungen Frosch entwickelt haben, manche suchen aber auch nach einem neuen Gewässer. Zwischen ihren Sommer- und Winterquartieren legen sie bis zu zwei Kilometer zurück.
Aus diesen Gründen ist für sie eine Umgebung gut, in der sie sich sicher bewegen können. Die Orientierungsfähigkeit der Frösche und Kröten ist zwar fantastisch, aber die tödliche Gefahr, die vom Menschen und seinen Fahrzeugen ausgeht, erkennen sie nicht. In einem Garten, der an stark befahrenen Strassen liegt, einen Teich anzulegen, wäre keine gute Idee, finden die Amphibien-Experten.
An Nürensdorf, wo Familie Maag lebt, grenzt das Eigental. Das Gebiet mit dem Flachmoor ist eine Naturschutzzone von nationaler Bedeutung. Andrea Maag erinnert sich, wie sie schon als Kind mit einem Kübel entlang der Eigentalstrasse Frösche einsammelte, um sie sicher über die Strasse zu bringen. Heute ist die Strasse dank der Anstrengungen von Naturschutzorganisationen und weiteren Engagierten wenigstens während der Wanderungszeiten von und zum Moor für den Verkehr gesperrt. Automobilist:innen wehren sich aber mit einer Einzelinitiative gegen die geplante Aufhebung der Strasse, am Schluss werde wohl das Bundesgericht entscheiden, vermutet Peter Maag, der sich mit dem Büro für Wildtierarchitektur auch stark für die Rettung von Amphibien aus Schächten einsetzt.
Gefangen im Schacht
Entwässerungs- und Lichtschächte sind eine weitere grosse Gefahr für Amphibien. Sind Frösche, Kröten und Molche unterwegs und kommen an Strassen, bewegen sie sich oft dem Randstein entlang. Bald gelangen sie zum ersten Gitterrost, dann zum nächsten und so weiter. Jeder muss überwunden werden. Zusätzlich locken hinuntergespülte Würmer und Insekten Amphibien an. Dort unten schwimmt bisweilen eine ganze Menge potenzieller Nahrung für die Tiere, die an Land und im Wasser leben können. Einmal hinuntergefallen, können sie nicht mehr aus den Schächten herausklettern.
Simon Gaus vermutet, dass hochgerechnet jährlich nicht Tausende, sondern Millionen von Amphibien alleine in der Schweiz in Schächten oder später in der Kanalisation verenden. Ziemlich verlässliche Zahlen gebe es aus der Stadt Zürich, wo jährlich rund 15 000 Amphibien ins Entwässerungssystem gelangen. Die WTA-Mitglieder haben teils systematisch und über mehrere Jahre Schächte kontrolliert, 55 000 sind es alleine im öffentlichen Raum der Stadt, und «oft sind in einem gleich mehrere Tiere gefangen», sagt Andrea Maag. «Sie haben ohne Ausstiegshilfe keine Chance, sich zu befreien.»
Deshalb ruft das WTA Privatgrundbesitzer:innen auf, beim Vorbeigehen kurz mit der Taschenlampe in die Schächte zu schauen und Massnahmen zu planen. Wer einen Frosch befreit, soll ihn in unmittelbarer Umgebung an einem geschützten Ort – unter einem Gebüsch oder einem Holz- oder Laubhaufen – wieder freilassen, sagen die Expert:innen der Karch: «Die Tiere sollen nicht direkt in ein Gewässer oder in den Wald zurückgebracht werden. Sie wären verloren, wenn man sie an einen Ort bringt, den sie nicht kennen.»
Das Kontrollieren und Öffnen von Schächten an der Strasse und auf öffentlichem Grund hingegen ist Privaten auch aus Sicherheitsgründen nicht erlaubt. Vermutete Fallen können der Gemeinde gemeldet werden.
Rettung Ausstiegshilfe
Die Gemeinden sind verpflichtet, Vorkehrungen zu treffen, um bedrohte Tierarten vor Gefahren im Siedlungsraum zu schützen. Dazu zählen auch für Wildtiere gefährliche Schächte. Das Büro für Wildtierarchitektur hat vor mehr als zehn Jahren angefangen, Ausstiegshilfen zu entwickeln und bei besonders gefährlichen Schächten einzubauen.
In der diesbezüglich fortschrittlichen Stadt Zürich konnte das WTA auf Auftrag in der Zwischenzeit mehrere tausend Ausstiegshilfen einbauen, so etwa in Friedhöfen, Schulen und Parks. «Aber das ist eine never-ending Story», sagt Andrea Maag. In Nürensdorf machte sie ein Monitoring und fand in einem feuchten, kühlen Gebiet ideale Bedingungen für Feuersalamander. Tatsächlich hat es auch dort Schächte und sie musste «etliche tote Tiere» herausholen.
Wo es nicht möglich ist, ganz auf Schächte zu verzichten, könnten diese standardisiert mit Ausstiegshilfen ausgestattet oder mit feinen Gittern überdeckt werden. Es werden aber nicht nur in Strassen und Siedlungsgebieten weitere Schächte eingebaut, um das Wasser unterirdisch abfliessen zu lassen – tatsächlich gebe es praktisch überall Schächte, sogar bei Wiesen und in Wäldern, erzählt Simon Gaus und macht kein Geheimnis daraus, dass ihn das besorgt: «Es hat sie auch an Orten, wo sie völlig unnötig sind, wo man das Wasser problemlos versickern lassen könnte.» Was in Zeiten von zunehmender Trockenheit und Wassermangel als Folge des Klimawandels sinnvoll wäre.
Ohnehin wäre das Niederschlagswasser wichtig für den ökologischen Haushalt vor Ort, sagt der ausgebildete Künstler, der sein Engagement für Amphibien zum Beruf gemacht hat. Es gebe noch viel zu tun. Bisher habe man auf die Verbesserung der zweifelsfrei wichtigen Gewässer fokussiert, «aber wir müssen unbedingt auch ihren Landlebensraum in den Fokus nehmen. Erst jetzt erkennt man, dass er ebenso wichtig ist und man ihn im Verbund planen muss, mit Gemeinden und Nachbarn.»
Im Garten von Peter Maag sind gerade keine Amphibien zu sehen, aber die Laichballen, die die Grasfrösche an einer ruhigen Stelle des Bächleins abgelegt haben, sind nur wenige Tage alt. Auch dieses fliessende Gewässer hat der Naturgarten- und Wildtierfreund selber gebaut, quasi als Rundlauf vom Teich aus unterirdisch hinauf hinters Haus und von dort als offener Quell sachte hangab plätschernd wieder in den Teich.
Die Frösche haben übrigens von selber in diese Gartenoase gefunden – und das sei nicht nur zwingend (Wildtiere einfangen und anderswo aussetzen ist verboten), sondern auch typisch, sagt Simon Gaus: «Sie riechen das Wasser. Und wenn sie die Strukturen vorfinden, die sie zum Leben brauchen, bleiben sie.» Es braucht etwas Geduld – wie die Verwandlung von einer öden Fläche in eine wilde, blühende Oase.