Wie wollen wir gärtnern?
Die sich immer schneller verändernden Umweltbedingungen weltweit zwingen den Menschen dazu, ungewöhnliche Wege zu gehen, um weiter Lebensmittel anzubauen. Ein Blick in andere Länder und über die Zeit hinweg zeigt, welche Ideen uns nützen und inspirieren können.
Texte: Olaf Bernstein
Gärtnern mit Geothermie
In Island wird die Gemüseproduktion nicht im Vulkan, aber mithilfe des Vulkans betrieben. Das Ganze geht so weit, dass hinter Glas sogar Bananen gedeihen. An sich sind Gewächshäuser keine sehr umweltfreundliche Angelegenheit – sie benötigen viel Fläche und in unseren kalten Breiten noch viel mehr Energie, sofern wir ganzjährig frisches Obst und Gemüse geniessen wollen. Wie in aller Welt sollen sich also Glashäuser im hohen Norden ökologisch betreiben lassen? Das Zauberwort heisst Geothermie. Schon seit den 1920er-Jahren setzen die isländischen Bauern auf Erdwärme. Die Hitze des Erdmantels dringt auf der Insel an die Oberfläche, weil hier die eurasische und die nordamerikanische Platte auseinanderdriften: viel Raum für Vulkane und Geysire und die damit einhergehende Wärme. Wasser wird beispielsweise direkt erhitzt aus dem Boden ins System eingeschleust und nach der Nutzung im Haushalt in Schwimmbädern weiterverwendet, wenn die Temperaturen nur noch um die 30 Grad betragen. Die Rohre, über die das Heisswasser in die Haushalte transportiert werden, halten im Winter mit ihrer Abwärme gleich auch noch die Gehsteige und Strassen eisfrei. Da die Energie aus dem Erdmantel fast nichts kostet, können die isländischen Farmer nicht nur klimaneutral Gemüse wie Tomaten für den britischen Markt anbauen – sondern auch noch überraschend günstig.
Das Erd-Gewächshaus Walipini
Doch wie lässt sich Gemüse an Orten ziehen, wo die Temperaturen niedrig und der Zugang zu Elektrizität schwer ist – beispielsweise in den Weiten der Anden? Das Konzept des «Walipini» – was in der indigenen Aymara-Sprache ungefähr so viel bedeutet wie «warmer Ort» – ist eine mögliche Antwort. Es ist eine Art rechteckiges Gewächshaus, dessen längste Seite nach Süden hin ausgerichtet ist, um möglichst viel Wärme zu speichern. Anstatt in die Höhe geht es zwei bis zweieinhalb Meter in die Erde hinein, in Hanglage, wobei das Dach möglichst schräg zur Sonne steht. Die Rückwand besteht aus grossen Steinblöcken, die tagsüber wie eine natürliche Heizung die Sonnenwärme speichern und nachts wieder abgeben. Die Konstruktion selbst besteht aus massiven Holzstämmen, die Zwischenräume werden mit Lehm und Stroh abgedichtet. All das speichert Wärme und macht ein künstliches Heizen unnötig. Traditionell kann so ganzjährig Landwirtschaft auf über 4000 Metern Höhe betrieben werden – trotz niedriger Temperaturen.
Gemüse aus dem Krater
Nein, dieses Beet liegt nicht in einem Vulkan, auch wenn der Name es vermuten lässt «Kraterbeete» sind im Grunde umgedrehte Steingärten. Sie stammen von der vor der westafrikanischen Küste gelegenen Insel Lanzarote, wo das warme und trockene Klima Gärtner vor besondere Herausforderungen stellt. In der Schweiz sind sie noch relativ unbekannt. Dabei bieten sie gleich mehrere Vorteile bei schwierigen Wetterbedingungen: Ihr gemauerter Steinwall schützt die tieferliegenden Gewächse vor Wind und Kälte, während die unterschiedlichen Höhenlagen eine Vielzahl von Nutzpflanzen möglich machen. In Lanzarote kommen Lavasteine zum Einsatz. Diese speichern die Wärme und schützen so die Pflanzen vor Kälte. Durch die trichterförmige Anlage kondensiert nachts Wasser, das sich dank der Steine in der Mitte ansammelt und so den Pflanzen lange zur Verfügung steht. Die Beete werden terrassiert angelegt, wobei der Aushub aus der kreisförmigen Mitte einen Wall um das Beet bildet. Wie gross so ein Kraterbeet wird, hängt sehr von den Möglichkeiten des eigenen Gartens ab: Von zwei Metern Durchmesser bis hin zu 15 Metern ist praktisch alles möglich. Bei Letzterem geht es dann zwei bis drei Meter in die Tiefe. Ins geschützte Zentrum kommen frostanfällige Pflanzen wie Gurken, Tomaten, Paprika oder Auberginen. Zur Vorbereitung können Spinat oder Salat gepflanzt werden. An den etwas trockeneren Hängen kommen Radieschen, Buschbohnen, Möhren und Zwiebeln zum Zuge – bei grösseren Anlagen können wir sogar über kleinere Obstbäume wie Pfirsiche nachdenken. Am Wall selbst schaffen wir einen Kräutergarten mit Oregano, Thymian und Lavendel. Hier ist es sonnig und trocken. Malven, Katzenminze, Salbei und andere lokale Wildstauden können ebenfalls hier gepflanzt werden und bieten so eine belebende Anlaufstelle für Insekten. Als Windschutz hinter dem Wall kommen Gehölze in Frage, die gut mit Trockenheit umgehen können, also Sanddorn, Felsenbirnen oder Schlehen. Je nach Bodenbeschaffenheit wird dann noch Kompost oder, wenn wir mediterrane Pflanzen ansiedeln wollen, Muschelkalk eingebracht. Über Trittsteine oder eine Treppe gelangen wir in die Mitte der kreisförmigen Anlage. Im Frühjahr lässt sich die Senke mittels einer gespannten Folie in ein Frühbeet verwandeln; so sind die dort wachsenden Pflanzen vor Frost geschützt.