Phänologischer Kalender
Der Herbst ist da
Text: Dani Pelagatti, Illustrationen: bunterhund.ch
Wenn die Kornelkirschen reifen
Die Früchte der Kornelkirsche (Cornus mas) sind vitaminreich und angenehm säuerlich schmeckend. Trotzdem werden sie in unseren Regionen nur wenig verwendet. In Osteuropa schätzt man sie hingegen sehr, was sich auch an der dortigen Sortenvielfalt erkennen lässt. Auch die in der Deutschschweiz übliche Bezeichnung Tierlibaum dürfte östliche Wurzeln haben. Zusammen mit einer breiten Palette deutscher und österreichischer Namen (zum Beispiel Tirlen, Dirlitze, Dirndl, Terle, Dintel, Derlein) stammt sie vermutlich aus dem slawischen Sprachraum, wo Kornelkirschen drijen, dren oder auch deren heissen. Aus den Früchten lässt sich ein vorzüglicher Schnaps brennen, sie eignen sich für Sirup und Gelee und können im unreifen Zustand eingelegt wie Oliven genossen werden.
In der Schweiz kommt die Kornelkirsche nur im Tessin, im Misox und Puschlav, im Unterwallis und um den Genfersee natürlich vor, wird aber schon lange auch in anderen Landesteilen angepflanzt und in letzter Zeit als heimischer und ökologisch sinnvollerer Ersatz für die Forsythie beworben.
Verräterische Spuren
Sowohl an den Blatträndern von Rosen als auch an denen der Kornelkirsche entdeckt man manchmal rätselhafte ovale und kreisrunde, ausgestanzt oder ausgeschnitten wirkende Löcher. Diese zeugen nicht etwa von akkuratem Raupenfrass, sondern sind die Folge von Baumaterialbeschaffung durch Blattschneiderbienen. Diese Wildbienen tapezieren ihre Brutzellen nämlich aus passgenau zugeschnittenen Blattstückchen. Die bei uns häufigste Art, die Garten-Blattschneiderbiene (Megachile willughbiella) erntet ihre Tapete gerne an Rosen- und Kornelkirschenblättern, aufmerksame Naturbeobachter*innen können die verräterischen Spuren aber auch an anderen Pflanzen finden. Die mit den Kieferwerkzeugen rasant ausgeschnittenen Blattfragmente werden bäuchlings zum Nest geflogen, das sich zum Beispiel in morschem Holz, in der Erde, in Mauerspalten oder leeren Käferfrassgängen befinden kann, und dort kunstvoll zu einer Zelle arrangiert. Die ovalen Teile werden zu Seitenwänden verarbeitet, die runden dienen als Verschluss der Kinderstube.
Beim Blütenbesuch ist die Garten-Blattschneiderbiene im Gegensatz zu vielen anderen Wildbienen nicht spezialisiert, sie sammelt an verschiedenen Pflanzen, besonders gerne an Schmetterlingsblütlern, Glockenblumen und Weidenröschen.
Reife Bucheckern verkündigen den Vollherbst
Die unverwechselbaren Früchte der Rot-Buche (Fagus sylvatica) öffnen sich nun und geben ihre Samen frei. Ob Eichelhäher oder Waldmaus, Eichhörnchen oder Buchfink, Kleiber oder Wildschwein, viele Waldtiere lieben die nahrhafte Kost. Auch uns Menschen munden die «Buechenüssli», allerdings sind sie in rohem Zustand nicht sehr bekömmlich, ja sogar leicht giftig. Die Giftstoffe werden aber durch Erhitzen abgebaut, weshalb die gerösteten Samen für den menschlichen Verzehr unbedenklich sind.
In der Schweiz ist die Rot-Buche der häufigste Laubbaum und prägt das Bild vieler Wälder. Auch forstwirtschaftlich ist sie von Bedeutung, Buchenholz wird für Möbel und allerlei Geräte verwendet, in der Bau- und Verpackungsindustrie eingesetzt und nicht zuletzt als hervorragender Brennstoff genutzt.
Im Zuge des Klimawandels wird sich das Verbreitungsgebiet der Rot-Buche verändern, denn lange Dürreperioden erträgt sie schlecht. So wird sie sich in Trockengebieten zugunsten resistenterer Baumarten zurückziehen, im Gebirge aber neues Terrain erobern.
Herb-süssliche Minipfläumchen
Im Spätherbst werden endlich auch die Schlehen, die Steinfrüchte des Schwarzdorns (Prunus spinosa), reif. Erste Herbstfröste verringern die bitteren Gerbstoffe, die Früchte werden weicher und süsser und eignen sich nun zur Verarbeitung, zum Beispiel als Hauptzutat für köstlichen Schlehenlikör. Aber auch viele Vogelarten wissen die herb-süsslichen Minipfläumchen zu schätzen.
Man findet Schwarzdornsträucher an sonnigen Waldrändern, in Feldgehölzen und Hecken. Sie eignen sich dank ihres dichten Wuchses auch als Sichtschutz und Vogelschutzgehölz in Gärten, wo sie ausserdem mit ihrer frühen und üppigen Blüte und grossen Schnittverträglichkeit punkten. Allerdings sollte man sich vor dem Pflanzen einer Schwarzdornhecke bewusst sein, dass die weit kriechenden Wurzeln neue Triebe bilden und so ganze Dickichte entstehen können, wenn man nicht eingreift. Diese Eigenschaft kann auch gezielt zur Sicherung von rutschgefährdeten Hängen genutzt werden.
Dies sind zwei Auszüge aus den Pflanzenfreund-Ausgaben Nr. 9 und Nr. 10. Unter diesem Link sind die Einzelhefte bestellbar: