Darf man oder darf man nicht …?

Erwin Meier-Honegger ist Co-Geschäftsleiter der Firma Ernst Meier AG, Gärtner und setzt sich leidenschaftlich für seinen Berufsstand ein. Er ist international in zahlreichen Gremien aktiv und pflegt einen kritischen Blick auf seine Branche. In seinen Artikeln und Kommentaren nimmt er kein Blatt vor den Mund.

 

«Die alljährliche Beleuchtungsekstase veranschaulicht die Fragwürdigkeit der kurzlebigen Billigimporte aus Fernost.»


Dunkelheit am Balkon, im Vorgarten und am Haus ist mittlerweile ein politisches Statement. Quasi ähnlich den Regenbogenfahnen, die als Zeichen des Protests gegen den Irak-Krieg im Jahr 2003 fast über Nacht von italienischen Häuserwänden und Balkonen flatterten. Der Aufruf «Pace da tutti i balconi» (Friede von allen Balkonen) sprang bald auf umliegende Länder über.

Heute wird der prominente Effekt dieser politischen Beflaggung als Kampagnenmaterial für so manchen Abstimmungskampf genutzt. Flagge zeigen für seine Anliegen, heisst das Gebot der Stunde. In der dunklen Jahreszeit ist dies nicht so einfach. Jedoch scheint mir, dass die zuweilen etwas überbordende Weihnachtsbeleuchtung mittlerweile irgendwie auch ein politisches Statement ist.

 

Die alljährliche Beleuchtungsekstase veranschaulicht die Fragwürdigkeit der kurzlebigen Billigimporte aus Fernost. Auch werden Fragen bezüglich Lichtverschmutzung und Stromverschwendung vermehrt ideologisch verhandelt. Vermutlich dauert es nicht mehr lange, bis der Ruf nach gesetzlicher Regulierung der Weihnachtsbeleuchtung laut wird und sich damit zusätzliche Gräben um das Thema der Ökodiktatur öffnen.

Diesem Schlagabtausch begegne ich mit Gelassenheit. Ein kleiner beleuchteter Strauch neben unserem Hauseingang ist mein besinnlicher «Leuchtturm», wenn ich in der winterlicher Dunkelheit und Kälte nach Hause radle. Und am frühen Morgen verabschiedet mich das beleuchtete Bäumchen, wenn ich wieder dem Arbeitsalltag entgegenradle. So «brennt» meine Weihnachtsbeleuchtung jeweils eine kurze Zeit am Abend und eine noch kürzere Zeit am Morgen.

So viel Licht darf sein. Und ich geniesse diese ganz kurzen Momente der bescheidenen «Erleuchtung» jeden Abend und Morgen aufs Neue. Es ist mittlerweile ein kleines Ritual, welches mich alljährlich ab November begleitet. Das Abschalten und Wegräumen der Weihnachtsbeleuchtung ist im Januar jeweils mit Wehmut verbunden. So sehr ich mich auf das Frühjahr freue, so hat die Melancholie der winterlichen Dunkelheit doch auch etwas Magisches. Und die Magie bleibt erhalten, wenn die Einschaltdauer der Weihnachtsbeleuchtung mit Vernunft und Bescheidenheit gewählt wird.

 
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